Betrachtet man die sich abzeichnenden Jahresendstände an den internationalen Kapitalmärkten, lassen diese kaum Rückschlüsse zu auf das turbulente Geschehen, das wir dort, aber auch abseits der Börse, im Jahr 2020 erleben durften bzw. mussten.

Es begann zunächst mit großer Zuversicht und neuen Höchstständen. Diesen folgten, mit der Ausweitung einer regionalen Epidemie zu einer globalen Pandemie, der größte und schnellste Einbruch aller Zeiten, der zeitgleich aber auch der kürzeste Bärenmarkt der Börsenhistorie war. Denn was folgte, war das schnellste Comeback der Geschichte, dass seine Ursache in dem bedingungslosen Bereitstellen von Liquidität durch Notenbanken und Regierungen hatte. Diese Eingriffe haben die Wirtschaft effektiv unterstützt, wenngleich zum Preis einer deutlich erhöhten Staatsverschuldung. Der November machte dann noch einmal von sich reden. Im Zuge der sich abzeichnenden Impfstoffe durch Biontech/Pfizer und Moderna, aber auch der Wahlergebnisse in den USA, ermäßigten sich weitere Gefahrenherde.

Die massive Geldmenge sucht sich ihren Weg und landet zwangsläufig an den Kapitalmärkten. Mit unserer These aus dem letzten Jahr, dass 2020 laut und schmutzig werden wird, aber auch viele Chancen bieten würde, sehen wir uns bestätigt. Es hat sich in diesem Jahr sehr deutlich gezeigt, dass man die schrillen Töne der täglichen „Breaking News“ manchmal geradezu ignorieren muss. Die Gefahr, prozyklisch falsche Entscheidungen zu treffen, steigt ansonsten immens. Die Welt wird nach Corona genauso sein wie vorher, nur anders. Unserer Einschätzung nach werden die Starken noch stärker, die Schwachen noch schwächer. Das beinhaltet allerdings enormen sozialen Sprengstoff, der mit viel Geld geheilt werden wird. Wir erwarten, dass man sich 2021 noch keine Sorgen um Inflation machen muss. Aber sie wird ein Thema werden, zumal das neue Mantra der Notenbanken, höhere Inflation zu tolerieren, noch eines Praxistests bedarf. Dies bedeutet für uns in erster Linie, weniger auf Timing zu setzen, sondern mit Sachwerten breit diversifiziert der Zukunft entgegenzublicken. Wir bleiben optimistisch, wie wir das auch in den intensiven Wochen dieses Frühjahrs waren. Warum? Der Mensch ist handlungs- und wandlungsfähiger als allgemein angenommen. Gerade die vielen Krisen der Vergangenheit zeigen, dass aus diesen auch viele positive Schlüsse für die Zukunft gezogen werden konnten. Der Impfstoff BNT162b2 als Folge deutsch-amerikanischer Zusammenarbeit zeigt sinnbildlich die Möglichkeiten gemeinsamen Strebens.

Wie wir die einzelnen Assetklassen konkret bewerten, beschreibt das Portfoliomanagement der Hansen & Heinrch AG im Folgenden.

Weltwirtschaft

Die globale Wirtschaftsleistung sollte sich im neuen Jahr, alles vor dem Hintergrund, dass die Impfstoffe angenommen und eine positive Breitenwirkung erreichen werden, deutlich erholen. Das liegt zum einen am Basiseffekt, da die Weltwirtschaft in diesem Jahr um knapp 4% eingebrochen ist. Zum anderen zeigen Regionen, die früher mit dem Virus konfrontiert waren oder konsequenter dagegen vorgegangen sind, schon jetzt, dass es deutliche Nachholeffekte geben wird. Somit kann man allgemeinen Einschätzungen nach davon ausgehen, dass wir im nächsten Jahr global eine deutliche Belebung erfahren werden (je nach Region zwischen 3,5% und 7%, global um die 5%), deren Momentum auch noch 2022 anhalten und dann auch das Vorkrisenniveau erreicht haben sollte. Wir schätzen als stärkste Wirtschaftsregion in den kommenden zwölf Monaten den südostasiatischen Raum ein. Dieser hat einen temporären Vorsprung vor Regionen wie Europa, wo Lockdowns und auch Brexit-Verhandlungen den Start ins neue Jahr prägen werden sowie vor den USA, wo dem neuen Kabinett ebenfalls Zeit eingeräumt werden muss, zumal Anfang Januar noch eine wichtige Stichwahl um die endgültige Machtverteilung im Senat ansteht. Auch das jüngste Zustandekommen des pazifischen Freihandelsabkommen RCEP dokumentiert anschaulich, in welchen Regionen sich die größte Dynamik entfalten sollte. Inwieweit Covid19 den Trend einer De-Globalisierung befeuert, wird eine der spannendsten Beobachtungen der kommenden Monate sein. „America First“ oder Chinas 5-Jahresplan mit Betonung der heimischen Industrie sind in der Tat mehr als nur kurzlebige Modeerscheinungen.

Geldpolitik und Rentenmärkte

Die geld- und fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen haben dazu geführt, dass die Lücke der Wirtschaftsaktivität überbrückt werden konnte. Mit enormer Entschlossenheit und nie gesehenen Summen gingen Notenbanken und Regierungen gegen eine schwere Rezession vor. Zudem konnte damit die Unsicherheit der Marktteilnehmer gelindert werden, was für die Psychologie eines funktionierenden Marktes elementar ist. Das sind die Lehren aus der großen Depression der 1930er Jahre. Die Belastungen für die Staatshaushalte sind enorm und können natürlich nicht ewig weitergeführt werden. Im Zeitalter der negativen Realzinsen und dem Bekenntnis zum Weg der finanziellen Repression durch die Notenbanken fallen die Belastungen jedoch (noch) nicht schwer ins Gewicht. Sollte das kommende Wachstum über den Zinsen liegen, kann das Entschulden tatsächlich funktionieren. Notenbanken sind indes nicht mehr unabhängig, sie sind unmittelbare Waffe in der staatlichen Konjunkturpolitik. So ist es auch nicht verwunderlich, dass eine Politikerin EZB-Präsidentin und eine ehemalige Notenbankchefin designierte US-Finanzministerin ist. Anleihen haben sich auf breiter Front zu zinslosen Risikopapieren entwickelt, welche in Stresssituationen zudem weniger liquide sind als oft angenommen. Die Spreads werden dann schnell sehr breit, auch Folge der Regulation und Beschränkung des Eigenhandels der Banken. Somit rücken Anleihemärkte in den Vordergrund, bei denen es noch Zinsen gibt. Diese sind zum einen im High-Yield-Segment zu erwarten, wenngleich wir aufgrund pandemiebedingter Insolvenzen zahlreicher „Zombie-Unternehmen“ (Unternehmen, die nicht einmal ihre Zinskosten erwirtschaften) in diesen Bereich weiterhin nur selektiv investieren. Attraktiver erscheinen nach wie vor Schwellenländer-Anleihen, die davon profitieren sollten, dass der neue US-Präsident mehr Sicherheit im Handel verspricht und der US-Dollar nicht zu stark werden sollte. Ergänzt werden diese durch ausgewählte Wandelanleihen und das temporäre Nutzen von Anleihe-Neuemissionen. Das Kaufen und bis zur Fälligkeit liegen lassen von Anleihen ist ein Spiel, welches „man schon mit dem Anpfiff verloren“ hat. „Buy and hold“ funktioniert nicht mehr.

Aktienmärkte

Eine wachsende Wirtschaft, eine weiterhin niedrige Zinslandschaft und eine Chance auf eine Höherbewertung aufgrund des gestiegenen Risikoappetits versprechen ein positives Umfeld für Aktien. Die Unternehmensgewinne sollten sich mit dem zu erwartenden Konjunkturaufschwung erholen und die Margen aufgrund von umfangreichen Spar- und Optimierungsprogrammen noch deutlicher zulegen. Heftige und längere Crash- bzw. Baissephasen der Vergangenheit wurden fast immer durch Zinswenden ausgelöst. Eine solche ist nicht absehbar. Die Notenbanken halten das Gaspedal durchgedrückt und nutzen den Umstand, sich nahezu unbegrenzt verschulden zu können. Aktienpapiere sind dagegen endlich, was wiederum den Kurs erstklassiger Papiere nach oben treiben wird. Im neuen Jahr sollten zyklische Papiere ihre deutliche Underperformance aufholen, Technologietitel ihre extreme Outperformance dagegen nicht halten können. Allerdings hat Corona gezeigt, wie verwundbar einzelne Unternehmen sind und wie sich dagegen ausgewählte Technologietitel zu den neuen Versorgern entwickelt haben. Auch deutlich wurde, dass Digitalisierung ein echter Wettbewerbsvorteil ist. Daher werden Aspekte wie Robotik, Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren oder dezentrales Arbeiten in der Cloud deutlich vorangetrieben werden. Die Corona-Rezession hat schlicht nur dazu geführt, dass technologische Entwicklungen (Industrie 4.0) statt in Jahren in wenigen Quartalen erfolgen. Dies wird auch nicht rückgängig gemacht werden, im Gegenteil werden die Unternehmen einen größeren Teil ihrer Ressourcen für Technologie aufwenden, garantiert dies doch einen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil. Daher gilt es für uns, beide Welten (Value vs. Growth) intelligent zusammenzubringen. Man benötigt Aktien, deren Bewertungen durch die Aussichten auf Ertragswachstum gerechtfertigt sind. Pauschale Aussagen zu KGVs sind somit wenig zielführend – billig ist nicht immer günstig. Technologietitel, die nicht nur partiell von einem Virus profitieren, werden somit von uns gehalten, im Bereich der zyklischen Titel werden wir die Small-Caps höhergewichten, da sie erfahrungsgemäß besser aus Krisen herauskommen, da sie aufgrund höherer Zyklizität eine andere Sektorstruktur aufweisen. Insgesamt werden wir übergeordnet noch stärker die Berücksichtigung der ESG-Kriterien in unsere Prozesse implementieren. Die Wachstumsregionen verorten wir verstärkt in Südostasien, insbesondere in China, Taiwan und Korea. Südostasien lebt von einer günstigeren Demographie, einer gigantischen Urbanisierung und wachsender Mittelschicht und hat mit dem Freihandelsabkommen ein starkes Zeichen gesetzt. Chinas jüngster Fünfjahresplan zeigt klare Akzente bei der Neuausrichtung seiner Wirtschaftsstruktur („mehr Wertigkeit denn Werkbank der Welt“). Das asiatische Jahrzehnt nimmt deutlich an Fahrt auf.

Währungen

Tendenziell erwarten wir einen schwächeren US-Dollar. Zentralbankliquidität ist reichlich vorhanden und die Kombination Yellen und Powell sprechen für stützende Fiskalausgaben. Zudem hat die US-Notenbank noch Spielraum, was Zinssenkungen betrifft, wenngleich auch nur einen kleinen. Allerdings haben viele andere Regionen ebenfalls Interesse an einer schwächeren eigenen Währung, verspricht sie doch indirekte Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt. Daher erwarten wir keine ausgeprägte und nachhaltige US-Dollarschwäche, sondern volatile Seitwärtsbewegungen, mit denen sich die einzelnen Währungspaare finden und arrangieren können. Die chinesische Währung gewinnt weiter an Bedeutung, kann aber noch nicht den Status einer Reservewährung einnehmen. Kryptowährungen erlebten im Jahr 2019 ein Comeback, sind aber vor dem Hintergrund der enormen Schwankungen weiterhin keine Währungsalternative. Europa steht vor gewaltigen Aufgaben. Wie geht es ohne Großbritannien weiter? Wie können EU-Entscheidungsprozesse abseits von Aspekten der Einstimmigkeit vorangebracht werden? Welche Machtverhältnisse herrschen Ende 2021 im wichtigsten Eurostaat vor? Diese Fragen versprechen Spannung und temporäre Euroschwächephasen. Als strategische Beimischung favorisieren wir weiterhin die Norwegische Krone, die Dänische Krone und den Schweizer Franken.

Rohstoffe

Die Entwicklung der Rohstoffpreise wird zwangsläufig durch die Entwicklung des Wirtschaftswachstums und der Furcht vor einer steigenden Inflation bestimmt werden. Mit den ruckartigen Lockdowns kam im Frühjahr die Wirtschaft zum Stillstand und verzeichnete dabei die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. An den Futuremärkten notierte der Ölpreis zeitweise negativ! Dieses Stimmungsbild hat sich spätestens mit den Fortschritten bei den Impfstoffen deutlich aufgehellt, Preise für Eisenerz, Öl und Kupfer konnten beträchtlich zulegen. Allerdings lässt sich das Ansteigen kaum mit einer Normalisierung der Wirtschaft begründen, da gerade der Bereich der Mobilität nach wie vor massiv beeinträchtigt ist. Es scheint dagegen der Faktor der Endlichkeit der Rohstoffe zu sein, die Anleger in diese Gattung treibt. Somit führt die Inflationierung des Geldes zu steigenden Rohstoffnotierungen, welche wiederum dann für höhere Inflationsraten sorgen. Man muss allerdings sehr genau bei den einzelnen Rohstoffen unterscheiden. Als ein Beispiel sei das Metallpaar Palladium und Platin genannt, das sich mitnichten gleichgerichtet entwickelt, da man den industriellen Charakter sehr stark berücksichtigen muss. Welche Mobilitätsart wird sich durchsetzen, Verbrenner oder E-Mobilität? Welche Technik im Bereich der Solartechnik, welche im Bereich der Batterien? Das sorgt für unterschiedliche Nutzungsfelder und entsprechend große Schwankungen, an denen uns nicht gelegen ist. Wir schätzen jedoch das Gold. Gold weist zwar keine laufenden Erträge auf, was im Zeitalter der negativen Zinsen jedoch kaum noch ins Gewicht fällt. Daher halten wir es weiterhin für ratsam, eine Beimischung von Gold (6-8%) im Depot zu halten. Wir sehen Gold als wirksamen Schutz gegen die großen Verwerfungen – die Hausratversicherung, die man im besten Falle niemals in Anspruch nehmen möchte. Allerdings ist die Goldpreisentwicklung deutlich volatiler als viele annehmen. Man konnte das auch in diesem Jahr beobachten. Kaum fielen traditionelle asiatische Käufer während der Pandemie aus (z.B. Indien) oder Notenbanken mussten sogar Verkäufe vornehmen, um ihre Währung zu stützen (Türkei), kam Druck auf. Auch mit der Hoffnung durch den Impfstoff gab es größere Abgaben, die auch noch eine gewisse Zeit anhalten sollten. Daher nennen wir bei der Gewichtung bewusst einen Korridor, was bedeutet, dass wir je nach Marktlage rebalancen werden und unterjährig die Gewichtung auf erhöhtem Niveau reduzieren und bei Schwäche wieder erhöhen werden. Gold  als fester Depotbestandteil wird aber immer vorhanden sein.

Portfolio-Struktur

Aus den genannten Einschätzungen unseres Hauses ergibt sich zwangsläufig eine höhere Gewichtung von Risiko-Assets. Letztendlich zeigte auch die Pandemie, dass reale Sachwerte eine höhere Immunität haben als Papierforderungen. Daher favorisieren wir vor allem Aktien aus bestimmten Regionen und Sektoren, die flankiert werden von einer Beimischung ausgewählter Unternehmensanleihen aus dem Bereich der Schwellenländer und Wandelanleihen. Gold rundet das Vermögen als Risikoversicherung gegen größere Verwerfungen ein Stück weit ab. Die Aktien verorten wir regional vor allem im südostasiatischen Raum und Nordamerika. Erstklassige Unternehmensqualität, die sich auch in Stressphasen behaupten kann, steht im Kern unserer Analyse. Das Corona-Virus wird nicht die Mutter aller Krisen sein. Die Welt ist im Wandel, gesellschafts- und machtpolitisch, aber auch im Bereich der Arbeitswelt. Das geht nicht ohne „Begleitmusik“. Dafür muss man als Unternehmen gerüstet sein, am besten durch einen Burggraben in Form eines intakten Geschäftsmodells und einer sauberen Bilanz. Wir wetten also nicht auf Comebacks stark verschuldeter Unternehmen ohne echten Wettbewerbsvorteil, sondern halten nach sorgfältiger Analyse erstklassige Aktien und lassen den Unternehmen Zeit, Geld zu verdienen und Erträge an die Aktionäre auszuschütten. Dividende sollte 2021 wieder stärker ins Bewusstsein der Anleger zurückkehren. Insgesamt ist „Time“ wichtiger als „Timing“ und das bedeutet auch, sich nicht durch Schwankungen verunsichern zu lassen und panikartig für eine Scheinillusion an Sicherheit zu verkaufen. Passive Investmentlösungen kann man kostengünstig einbinden, aber man sollte sich immer der Tücken der dahinterliegenden Indizes bewusst sein, wie der Fall Wirecard zeigte, deren Aktien trotz Insolvenz noch monatelang in passiven DAX-ETFs vertreten waren. Es gibt nicht den Königsweg, nur aktiv oder nur passiv – nur Aktien oder nur Gold. Wertpapieranlage ist ein Garten, der gehegt und gepflegt werden muss. Zwischendurch gibt es sicherlich auch mal Unkraut, das man entfernen muss, aber insgesamt wird sich ein Garten bei richtiger Pflege prächtig entwickeln und eine schöne Ernte nach sich ziehen.