Von Chancen und Risiken

Im Jahr 2023 hat sich der Begriff „Krisenmodus“ in Deutschland (gemäß Gesellschaft für deutsche Sprache) als Wort des Jahres etabliert, was auf anhaltende Herausforderungen wie den Klimawandel, den Russland-Ukraine-Krieg oder die Energiekrise hinweist. Trotz ungelöster Probleme tauchen immer neue Krisen auf, darunter der Nahostkrieg, Inflation, Schulden- und Bildungsmisere. Der Ausnahmezustand ist zum Dauerzustand geworden.

In der Vermögensverwaltung betonen wir die Bedeutung eines globalen Blicks, um nicht zu einseitig zu investieren oder durch deutsche Perspektiven negativ beeinflusst zu werden. Nicht überall auf der Welt ist die Stimmungslage in Moll getaucht und das sollte sich auch entsprechend in den Portfolien wiederfinden. Bleiben wir in diesem Zusammenhang gleich mal beim Wort „Krise“, was bedeutet der Begriff eigentlich? Das chinesische Schriftzeichen für das Wort „Krise“ besteht aus zwei Teilen. Der eine Teil bedeutet Gefahr oder Risiko, aber der andere Teil bedeutet hingegen Chance oder Gelegenheit. In Deutschland wird die zweite Komponente leider oft übersehen. Die ständige Krise erfordert Resilienz, daher favorisieren wir Investitionen in Qualitätsunternehmen, die in ihrer DNA die Fähigkeit zur Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen haben und gestärkt aus Krisen herauskommen bzw. erst gar nicht oder weniger stark in Mitleidenschaft gezogen werden.

Trotz der Herausforderungen war 2023 ein erfolgreiches Jahr für Aktien und Anleihen, wenngleich das auch im Kontext der massiven Verluste des Vorjahres zu sehen ist. 2022 war von einem sprunghaften Inflationsanstieg und restriktiver Notenbankpolitik geprägt, während 2023 von widersprüchlicheren Impulsen gezeichnet war. Im Sommer 2022 begann der stärkste Zinsanstieg der US-Geschichte und erste schädliche Auswirkungen wurden im März 2023 ersichtlich, als einige US-Regionalbanken schließen mussten und auch die Credit Suisse durch ein konzertiertes Vorgehen der Schweizer Notenbank in Zusammenarbeit mit der UBS gerettet bzw. durch die UBS übernommen wurde. Auch der Immobilienmarkt erlebte mit der Insolvenz der Benko-Gruppe ein prominentes Opfer. Trotz sich eintrübender Wirtschaft zeigen sich die Arbeitsmärkte robust. Arbeitgeber halten vor dem Hintergrund der Demographie länger als in früheren Abschwung-Phasen an Personal fest, gleichzeitig fordern Arbeitnehmer, vielfach erfolgreich (nach Jahren schwindender Reallöhne), signifikante Gehaltszuwächse ein.

Die Anleihemärkte signalisierten frühzeitig eine deutliche Eintrübung der Wirtschaft, die Aktienmärkte hingegen haussierten auf Indexebene, wenngleich das wenigen hochkapitalisierten Unternehmen geschuldet war.

Das Jahr war geprägt von widersprüchlichen Geschichten, die temporär zu großen Kursbewegungen und Emotionen führten. Marktteilnehmer konzentrierten sich oft monothematisch auf einzelne Aspekte, was zu einem Wechselspiel an Kursbewegungen führte, wenngleich mit freundlichem Jahresabschluss.

Wie wir die einzelnen Assetklassen konkret bewerten, beschreiben wir im Folgenden:

Weltwirtschaft

Die Weltwirtschaft entwickelte sich im Jahr 2023 mit Licht und Schatten. Die US-Wirtschaft erwies sich als äußerst robust, angetrieben durch das Gesetz zur Reduzierung der Inflation („Inflation Reduction Act“), einschließlich einer Schuldenausweitung mit einem Haushaltsdefizit von 6%, sowie dem Trend der Verlagerung betrieblicher Aktivitäten in die Heimatregion („Near-Shoring“). Im Gegensatz dazu enttäuschte die chinesische Konjunktur aufgrund deflationärer Tendenzen und struktureller Probleme im Immobiliensektor. Der anfängliche Optimismus, der durch die Abkehr von der strikten Null-Covid-Politik in China entstand und zu einer Entspannung in den Lieferketten führte, wich einer gedämpften Stimmung, wie durch rückläufige Export- und Importvolumina Chinas ablesbar ist. Europa verzeichnete ein Wachstum von etwa 0,5%, das jedoch vor allem durch Deutschland (Medien titelten: „der kranke Mann Europas“), gebremst wurde.

Die globale Gesamtkonjunktur verlief insgesamt positiver als vielfach prognostiziert, und die befürchtete Rezession aufgrund der straffen Geldpolitik blieb aus. Für 2023 erwarten wir letztendlich ein Wachstum von etwa 3,0%, während die Dynamik trotzdem gering bleibt und sich 2024 tendenziell weiter abschwächen wird. Regional gesehen erwarten wir, dass die USA 2024 kein ähnlich gutes Jahr haben werden. Die Diskussion über eine Rezession hat inzwischen nachgelassen, dennoch sehen wir für 2024 ein abschwächendes Wachstum oder eine milde Rezession. Europa dürfte aufgrund des Rückgangs der Inflation etwas besser als zuletzt durch das Jahr kommen, wobei die Abhängigkeit von den USA und China das Wachstum begrenzt.

Trotz massiver Zinserhöhungen seit Sommer 2022 haben diese am Arbeitsmarkt bisher kaum Spuren hinterlassen. Die demographisch bedingte Knappheit von Arbeitskräften führt zu einem Umdenken in der Arbeitsmarktmentalität. Die Daten der Einkaufsmanagerindizes und das Verbrauchervertrauen stabilisierten sich zuletzt, doch ein nachhaltiger Aufschwung ist noch nicht spürbar. 2024 wird wohl eher als Jahr der Stagnation in Erinnerung bleiben.

Geldpolitik und Rentenmärkte

In der retrospektiven Betrachtung wurde klar, dass die Notenbanken, möglicherweise zu lang, zu sorglos die Inflationsrisiken bewerteten, indem sie den Anstieg als „transitorisch“ einstuften. Im Sommer 2022 vollzogen die EZB und auch die Fed jedoch einen radikalen Kurswechsel, der in den USA zur schnellsten und schärfsten Zinserhöhungswende der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte mündete. Die Fed erhöhte in elf Schritten den Zinssatz von 0%-0,25% auf 5,25%-5,5%, die EZB in zehn Schritten von 0% auf 4,5%. Seit September 2023 blieben die Zinssätze zuletzt unverändert. Diese restriktive Politik trug zur Rückführung der Inflation bei, die durch den Basiseffekt der reduzierten Energiepreise verstärkt wurde. Die Frage, ob wir bereits den Höhepunkt der Zinssätze nach dem Inflationsgipfel erreicht haben, führt zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten. Marktteilnehmer erwarten in einem intakten Disinflationstrend in 2024 bis zu sechs Zinssenkungen in den USA, während die Fed sich darin bestätigt sieht, nicht mehr erhöhen zu müssen und sich drei Zinssenkungen datenabhängig vorstellen könnte. Mag diese Diskrepanz banal klingen, hat sie doch enorme Auswirkungen, da an den Kapitalmärkten Erwartungen gehandelt werden.  Die Fed betont die anhaltende Stärke des Arbeitsmarktes, hohe Lohnabschlüsse und steigende Wohnkosten (wesentlicher Bestandteil der Kerninflation in den USA) als Preistreiber. Fed-Chef Powell wird in diesem Zusammenhang sicherlich an seine Vorgänger Burns und Volcker in den 1970er Jahren denken. Der erste unterschätzte massiv die Inflation nach dem ersten Ölpreisschock. Der Zweitgenannte musste nach dem Wiederaufflammen hart durchgreifen, um den erneuten Inflationsanstieg zu bändigen.

Die Diskrepanz zwischen den Markteinschätzungen und der Position der Fed stellt einen gordischen Knoten dar, der 2024 geräuschlos durchtrennt werden muss. Das Zeitfenster ist knapp, da die Fed traditionell vor Präsidentschaftswahlen neutral agieren möchte.

In der Eurozone liegt der Leitzins unter dem US-Niveau, hat jedoch aufgrund verschärfter Finanzierungskonditionen, insbesondere durch im Vergleich höhere Energiepreise und wenig stimulierende Fiskalpolitik, eine spürbare bremsende Wirkung. Die EZB muss eine Balance zwischen angemessener Straffung zur Inflationsbekämpfung und rascher Lockerung für weiteres Wirtschaftswachstum finden.

Die Herausforderungen der 2020er Jahre, wie Fachkräftemangel durch Demographie, Transformationskosten durch Dekarbonisierung und die Auswirkungen der Deglobalisierung, werden die Geldpolitik prägen. Diese Entwicklungen könnten das Inflationsniveau langfristig von 0%-2% auf 2%-4% anheben. In diesem Kontext ist es entscheidend, dass die Notenbanken klare Wege skizzieren, um Glaubwürdigkeit zu wahren und unnötige Volatilität zu minimieren. Erinnert sei die Renditeentwicklung der maßgeblichen 10-jährigen US-Staatsanleihe, die im Herbst 2023 zwischen 4% und 5% p.a. Rendite schwankte. Im Bereich der Anleihen sind solche Amplituden enorme Ausschläge. Infolgedessen können diese, Algorithmen-gesteuerte Handelssysteme überfordern und zu erheblichen Kurssprüngen am Gesamtmarkt führen.

Aktienmärkte

Im vergangenen Jahr präsentierten sich die großen Aktienindizes aus Nordamerika, Europa und Japan bei reiner Indexbetrachtung erfreulich, während chinesische Aktien auf Indexebene zweistellige Verluste hinnehmen mussten. Ein genauer Blick hinter die Kulissen offenbart aufschlussreiche Details. In den USA war die herausragende Wertentwicklung der sogenannten „glorreichen Sieben“ maßgeblich, die aufgrund ihrer hohen Gewichtung die Indizes spürbar nach oben zogen. Dabei traten im Laufe des Jahres teilweise außergewöhnliche Divergenzen zwischen gleichgewichteten und marktkapitalisierten Indexkonzepten auf. Ein Blick unter die Motorhaube zeigt, dass die Top 5 des S&P500 (Microsoft, Apple, Alphabet, Amazon, Nvidia) mittlerweile 26% der Gesamtgewichtung ausmachen – eine Konzentration, die es seit 60 Jahren nicht mehr gab. Die „Klumpenchance“ des Jahres 2023 kann auch zukünftige Klumpenrisiken bedeuten. Woher kam die Begeisterung um Tech-Titel, die noch in 2022 massiv verkauft wurden? Im März herrschte Unruhe bei ausgewählten US-Regionalbanken. Wir erlebten vereinzelte Bank-runs, die sogar innerhalb weniger Stunden zur Schließung einer Bank führten. Kurzfristig wurden Erinnerung an die Finanzkrise 2007/2008 wach. Die Aktienmärkte notierten schwächer, aber nicht alle Einzeltitel. Ausgerechnet große Tech-Aktien wurden von Investoren angesteuert, die in Apple oder Microsoft aufgrund deren geringen Verschuldung und hohen Bargeldreserven als „neue Bank“ einschätzten. Gleichzeitig gewann das Thema Künstliche Intelligenz an Fahrt, insbesondere durch Anwendungen wie ChatGPT, die das Thema erstmals greifbar machten. Keine Anwendung der Geschichte machte so schnell von sich reden.

Während Nebenwerte erst im Dezember 2023 mit dem Marktaufschwung das negative Terrain verlassen konnten, verzeichneten z.B. Aktien aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien Verluste von über 30%. Die Vielfalt der Märkte verdeutlicht, dass es nicht DIE Aktien gibt, sondern viele Nuancen zu beachten sind.

Der Faktor Bewertung spielt eine entscheidende Rolle. Betrachtet man das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P500, so liegt es bei 21, historisch betrachtet durchschnittlich bewertet. Exkludiert man jedoch die „Glorreichen Sieben“, sinkt das KGV auf 18, was eher historisch günstig wäre. Allein diese Sieben weisen jedoch ein KGV von über 37 auf. Allerdings wachsen diese auch seit Jahren verlässlich zweistellig, haben mit KI eine disruptive Chance, beinhalten aber auch die Gefahr staatlicher Regulation.

Die Kernbotschaft bleibt: Pauschale Marktaussagen sind mit Vorsicht zu genießen. Es ist essenziell, sich mit einzelnen Unternehmen auseinanderzusetzen und ihre Erfolgsaussichten kontinuierlich zu bewerten. Diversifizierung und Konsequenz sind Schlüsselfaktoren, um sich vor fehlerhaften Entscheidungen und großen Verlusten zu schützen.

Die Erwartung nicht weiter steigender oder sogar rückläufiger Zinsen könnte die Bewertungsrelation von Aktien verbessern. Trotz einer verlangsamten Weltwirtschaft (und entsprechend geringeren Margen) bleiben Aktien, insbesondere im mittelfristigen Kontext, ein wesentlicher Bestandteil unserer Portfolios. Unsere Favoriten in Branchen wie Infrastruktur, defensiver Konsum, Gesundheit, Umwelttechnik, Big Data, Cybersecurity und Technologie werden auch weiterhin bedeutende Depotkomponenten sein.

Währungen

Die weltweiten Währungen unterliegen zwangsläufig der Wechselwirkung ihrer jeweiligen Notenbankpolitik. Der Euro hat sich nach einer vorübergehenden Kapitalflucht (zeitweise unter pari zum US-Dollar) aufgrund der russischen Invasion stabilisiert und bewegt sich seit Monaten in einer Spanne zwischen 1,05 und 1,10 zum US-Dollar. Angesichts allgemeiner Marktvolatilität ein vergleichsweise ruhiges Kursmuster und stellt eine der geringsten Handelsspannen seit Einführung der Gemeinschaftswährung dar.

Die Geldpolitik verläuft insgesamt, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Japan, eher taubenhaft. Dies deutet darauf hin, dass die Zinsen voraussichtlich nicht steigen, sondern tendenziell eher fallen werden. Da dies synchron geschieht, bleiben die Zinsdifferenzen stabil und erklären die geringe Volatilität. Diese Situation dürfte sich vorerst bei diesem Währungspaar nicht wesentlich ändern, da die Währungspolitik auch 2024 tendenziell synchron verlaufen wird.

Kurzfristige Dollarstärken könnten aufgrund geopolitischer Spannungen auftreten, wenn Marktteilnehmer „sichere Häfen“ suchen. Temporäre Phasen einer Eurostärke könnten sich ergeben, wenn die Staatsschulden und die Bonität der USA in den Fokus rücken. Wir positionieren unsere Portfolios global und berücksichtigen dabei die Währungsexposures, ohne kostenintensive Absicherungen gegen Währungsschwankungen vorzunehmen.

Eine interessante Entwicklung könnte sich beim japanischen Yen abzeichnen, der zu den großen Verlierern 2023 gehört. Hier erwarten wir 2024 eine Veränderung, da die japanische Notenbank einen anderen Zyklus verfolgt und eher an Zinserhöhungen denkt. Wir sind in dieser Währung indirekt über Aktien engagiert.

Rohstoffe

Die großen gemischten Rohstoff-Indizes verzeichneten im Jahr 2023 insgesamt eine negative Wertentwicklung, z.B. bei dem Industriemetall Kupfer.

Insbesondere bei den beiden bedeutendsten Rohstoffen, Erdöl und Gold, zeigten sich deutlich gegenläufige Kursbewegungen. Die unsichere Wirtschaftsentwicklung in China und die Frage nach der Stärke der Wirtschaftsabkühlung in den USA, ob „Soft oder hard landing“, führten mehrheitlich zu rückläufigen Erdölpreisen. Temporär gab es Gegenbewegungen, zuletzt im Zusammenhang der weiteren Eskalation im Nahen Osten (Sorge vor der Sperrung der Straße von Hormus). Davon ist jedoch Ende des Jahres wenig zu sehen und auch die OPEC wirkt in diesem Zusammenhang gespalten. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Situation, sehen wir keine nachhaltige Preisermäßigung (im Basisszenario keiner Rezession) und gehen davon aus, dass die Ölpreise sich stabilisieren und sich im Korridor zwischen 80 und 100 USD bewegen werden.

Im Gegensatz dazu zeigte der Goldpreis, abgesehen von einer Schwächephase im Sommer, eine überzeugende Performance und erreichte zeitweise sogar neue Allzeithochs (über 2.100 USD) gegen Ende des Jahres. In dieser Phase rückten geopolitische Risiken und die Erwartung sinkender Zinsen in den Mittelpunkt, was dem Goldpreis zugutekam. Wir prognostizieren jedoch nicht das gleiche Tempo an Steigerungen, da die Opportunitätskosten nicht weiter so stark sinken dürften. Daher halten wir an einer Gewichtung zwischen 3 und 6% als eine Stabilisierungsposition (für unruhige Zeiten) im Portfolio fest.

Besonders interessant bleiben für uns Rohstoffe, die im Kampf gegen den Klimawandel benötigt werden. Die Dekarbonisierung und Transformation der Wirtschaft werden die Nachfrage nach Industriemetallen und Seltenen Erden langfristig stützen und antreiben. Ob Windräder, Photovoltaikanlagen oder E-Auto-Batterien – ohne seltene Erden, Lithium, Kupfer oder Silizium wird es nicht gehen. Die Aktienkurse von Bergbauunternehmen sollten langfristig den steigenden Metallpreisen folgen.

Portfoliostruktur

Für das Jahr 2024 erwarten wir ein Umfeld mit schwächerem Wachstum, latenten geopolitischen Gefahren und wegweisenden Wahlen (Knapp die Hälfte der Weltbevölkerung werden zu den Wahlurnen schreiten) z.B. in Taiwan, Indien, der EU und insbesondere den USA. In einem solchen Szenario favorisieren wir verstärkt Qualitätsunternehmen mit robusten Bilanzen, niedrigen Verschuldungsquoten, Innovationsführerschaft, effektivem Risikomanagement und einer aktionärsorientierten Kapitalallokation.

Die goldene Ära der Kapitalmärkte in den 2010er Jahren, geprägt von niedrigem Wachstum, niedriger Inflation und niedrigen Zinsen, geht zu Ende. Die Globalisierung hat ihren Höhepunkt erreicht, geopolitische Spannungen sind gestiegen, und die Möglichkeiten der Notenbanken und Regierungen, mit „billigem Geld“ zu reagieren, sind begrenzter geworden. Geld hat wieder einen Preis (Zinsen), und Investoren werden kritischer bei ihren Entscheidungen agieren. Dies wird besonders in den USA, mit hoher Staatsverschuldung und unversöhnlichen Haushaltsdebatten, deutlich. Und welche Investoren kaufen zukünftig eigentlich US-Staatsanleihen und finanzieren die Defizite? Japan wohl weniger, China wohl gar nicht mehr. Auch in Deutschland sahen wir zuletzt die Grenzen von staatlichen Finanzierungswünschen.

In diesem Umfeld wird elementar, einen genauen Blick auf das Geschäftsmodell von Unternehmen zu werfen. Reine Hoffnungswerte auf eine erfolgreiche Zukunft werden es schwerer haben. Qualität wird entscheidend sein – Unternehmen, die selbstbestimmt agieren können und Preissetzungsmacht behalten, werden bevorzugt. Unsere Prognose geht davon aus, dass die Inflation vor dem Hintergrund einer sich abschwächenden Wirtschaft zwar weiter rückläufig sein wird, jedoch höher als in den 2010er Jahren. Dies bedeutet, dass die Zinsen vorerst ihren Höhepunkt erreicht haben sollten, mit Zinssenkungen ab dem Frühjahr/Sommer ist zu rechnen.

Unser Portfolio bleibt auf eine Kombination von globalen Qualitätsaktien, kurz- bis mittelfristigen Anleihen (Unternehmen und Staaten mit Investmentgrade), höher verzinslichen Anleihen aus Schwellenländern, Gold und Rohstoffen (ohne Agrargüter) sowie verzinster (temporärer) Liquidität ausgerichtet. Eine dauerhaft hohe Investitionsquote erscheint weiterhin ratsam. Diversifikation bleibt essenziell, wobei es festzuhalten gilt, dass es bei der Systematik der Diversifikation einen gewissen Strukturbruch gab. In 2022 sind sowohl Anleihen als auch Aktien gefallen, im Folgejahr sind beide Anlageklassen gestiegen. Diversifikation bedeutet nunmehr, innerhalb der Anlageklasse mögliche Risikoquellen zu erkennen und diese im Portfolio zu minimieren.

Unsere Aktienpositionen sind auf liquide Blue-Chips aus den defensiven Konsum-, Pharma- und Technologiesektoren (Digitalisierung und Automatisierung) ausgerichtet, während wir bestimmte Sektoren wie Banken, Autos und Unternehmen mit ungünstiger Verschuldungsstruktur untergewichten bzw. meiden.

Zum Jahreswechsel haben wir uns vermehrt mit Small-Caps beschäftigt, da diese im Jahre 2023 deutlich in der Wahrnehmung und auch in der Allokation vieler Investoren zurückblieben, denn viele Marktteilnehmer hatten nur hochkapitalisierte Tech-Titel (mit Bezug zu KI) auf dem Schirm.

Qualitätsanleihen haben sich bereits als interessante Renditeopportunität erwiesen (wie im letzten Jahresausblick avisiert), und wir erwarten, dass sie weiterhin für Stabilität im Depot sorgen werden. Die einzelnen Quoten im Portfolio werden vor dem Hintergrund erwarteter Volatilität gesteuert. Unsere langfristige Strategie bleibt vom täglichen Kursgeschehen unbeeinflusst, da unser Fokus weiterhin auf der Güte der einzelnen Unternehmen liegt. Der positive Zusammenhang zwischen Kapitalrenditen und langfristigem Kursverhalten bestärkt unsere Überzeugung, dass Qualität sich durchsetzen wird.