Von der Angst, etwas zu verpassen
Im vergangenen Monat freuten sich Aktionäre und Aktionärinnen über freundliche Entwicklungen an den Börsen, was angesichts des saisonalen Musters im Juli nicht überraschend war. Die Märkte zeigten sich erstaunlich unbeeindruckt und setzten ihren Aufwärtstrend fort, da die Angst vor dem Verpassen weiter wuchs und die Hausse dadurch selbst befeuert wurde. Dazu passt, dass die Prämien für Puts im Vergleich zu denjenigen für Calls so günstig wie zu Beginn der 2000er Jahre sind. Dem Anschein nach sehen nur wenige Marktteilnehmer die Notwendigkeit, sich über Absicherungen Gedanken zu machen.
Der Juli steht ein Stück weit exemplarisch für das, was wir schon seit Monaten erkennen. Der Markt konzentriert sich in kurzen Phasen extrem komprimiert auf ein alles bestimmendes Thema. Re-Opening Fantasie in China im Januar, die dann in sich zusammensackte. Schockartige Panik vor Lehman 2.0 Anfang März, die sich dann allzu schnell beruhigte oder extreme KI-Euphorie im Mai.
Im Juli konzentrierte sich der Markt kurzfristig auf das Narrativ eines neuen „Goldilocks-Szenarios“ mit niedrigem Wachstum, niedriger bzw. sinkender Inflation und niedrigen Zinsen.
Notenbanken mit weiteren Zinserhöhungen
Das gewann an Kontur durch eine besser als von Analysten erwarteten Berichtssaison, der Deutung des Marktes, dass die Notenbanken den seriellen Zinserhöhungszyklus für beendet erklärt haben und die Konjunktur eine „weiche Landung“ (in den USA im 2. Quartal annualisiert +2,4%) hinbekommt. Zudem war im Juli die US-Inflation auf 3% und auch die Kernrate (schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise werden ausgeklammert) auf 4,8% stärker als erwartet gefallen. In diesem Zusammenhang passte dann auch, dass die US-Notenbank und die EZB im Juli die Leitzinsen jeweils nur noch leicht um 0,25% anhoben.
Dennoch warnen wir vor zu viel Optimismus und es erscheint unserer Einschätzung nach weiter geboten, abseits von reinen Indexständen, sich insbesondere um die Qualität der Unternehmen und ihrer Bilanzen Gedanken zu machen. Wir sehen die Indizes nicht am Beginn eines neuen Aufwärtstrends wie z.B. 2003 oder 2009, sondern vielmehr noch im alten Zyklus verfangen, der durch Pandemie, Krieg, Inflation und Notenbankpolitik extrem verzerrt ist.
Aktienindizes erzählen unterschiedliche Geschichten
Viele Aspekte sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Sind Aktienmärkte teuer? Einer der mit Abstand wichtigsten Indizes, der S&P500, hat ein KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) von rund 20, in Erwartung der Gewinne für 2024. Das ist historisch gesehen alles andere als günstig. Nimmt man die sieben Tech-Aktien, die im Wesentlichen für die positive Wertentwicklung in 2023 verantwortlich waren, kommt man schon auf KGVs von über 31, die früher oder später zu Gewinnenttäuschungen führen sollten. Der große Rest wiederum hat ein KGV von 17 und ist somit historisch nur bedingt teuer. Was ist die Wahrheit? Im positiven Fall lassen die teilweise überbewerteten Tech-Titel Luft ab und auf Indexebene wird das von der breiten Masse aufgefangen. Da wir das aber nicht wissen, kümmern wir uns weniger um Indizes, sondern um Unternehmen.
Verschiedene Aspekte mahnen zur Vorsicht. Wir haben diese wiederholt mit unseren monatlichen Zeilen erläutert. Zu nennen sind z.B. die inverse Zinsstrukturkurve (Renditen für langlaufende Anleihen liegen unter den der kurzfristigen), die rückläufige Geldmengenentwicklung, die Eintrübung der europäischen (insbesondere deutschen) Konjunktur oder die Folgen einer der aggressivsten geldpolitischen Straffungszyklen seit Jahrzehnten. Die FED hat zu lange zu wenig gemacht („transitory“) und läuft nun Gefahr, zu lange zu viel zu machen. Ein Vabanquespiel. Wie wichtig zielgerichtete Notenbankpolitik bei einer hohen Inflation ist, wissen wir insbesondere aus der gescheiterten Politik aus den 1970er Jahren.
Die zu erwartenden Bremswirkungen (z.B. verschärfte Finanzierungskonditionen) lassen indes bislang ungewöhnlich lange auf sich warten. Den Grund sehen wir wiederum in der zurückliegenden Corona-Pandemie. Viele Haushalte verfügen (noch) über zwangsläufige Sparreserven (infolge der Lockdowns) und die Nachholeffekte beim Konsum sind (trotz teilweise deutlich höherer Preise) hoch. Das wird man aber nicht einfach fortschreiben können.
Daneben bleiben uns die Spannungen in der Geopolitik (zuletzt Eskalation in Westafrika), die in Summe (Stichwort „De-Globalisierung“) perspektivisch zu einer dauerhaft höheren Basisinflation führen werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Zinsen länger hoch bleiben als erwartet, und die Zinssenkungserwartungen könnten nur erfüllt werden, wenn eine Rezession eintritt, was die Gewinnentwicklung der Unternehmen negativ beeinflussen könnte.
So bleibt uns, abseits der täglichen medialen Schlagzeilen, die von Begriffen wie „Boom“, „Crashgefahr“ im täglichen Stakkato rasant hin – und herbegleitet werden und wenig hilfreich sind, zu überlegen, welche Bewertungen und Bilanzstrukturen angemessen sind und welche Unternehmen Stabilität und dauerhaftes Kurspotential versprechen. Diesbezüglich landen wir unserer Einschätzung nach unverändert bei Branchen wie Gesundheit/Demographie, Basiskonsum und Nahrungsmittel, Infrastruktur/Energie und Digitalisierung. Darin sehen wir klare und erfolgreiche Trends der 2020er Jahre und das erlaubt uns auch den Luxus, nicht kurzfristig Portfolien komplett neu strukturieren oder anpassen zu müssen. Eine solche nachrichtengesteuerte Scheinaktivität verursacht oft nur unnötige Kosten und Stress. Da ist uns unser mittelfristiger ertragsorientierter Kompass deutlich lieber.
Aktien als Sachwert bleiben Schwerpunkt unserer Anlagephilosophie. Gleichzeitig erkennen wir, dass kurzlaufende und bonitätsstarke Anleihen nach vielen Jahren wieder echte Alternativen bieten. Das beschriebene KGV von 20 (die Kurse entsprechen also dem 20-fachen Jahresgewinn) steht spiegelverkehrt für eine Gewinnrendite von 5%. Diese erhalten wir vielfach jedoch schon für ausgewählte US-Anleihen. Daher kann man beide Welten derzeit sehr intelligent in Einklang bringen. Langfristige Substanz durch Sachwerte in Form von Aktien und planbare Erträge mit kurz- bis mittelfristigen Anleihen. Aus diesem Grund bleiben wir weiter im Team Zuversicht, auch wenn es im Herbst etwas wechselhafter werden könnte.
Unser Aktienfonds Hansen & Heinrich Universal (akt. Aktienquote 82%) konnte im Juli weiter zulegen und seinen positiven Trend der letzten Monate mit entsprechender Outperformance zur Benchmark fortführen (12,61% vs. 11,48%). Wir favorisieren nach wie vor stabile Geschäftsmodelle, denen es in einem ambitionierten Umfeld gelingt, ihre attraktiven Margen zu verteidigen und nachhaltigen Cash-Flows zu generieren. Solche Unternehmen haben wir wiederum schon länger auf dem Radar, so dass wir nur wenige Anpassungen vorgenommen haben. Im Berichtsmonat reduzierten wir z.B. nahe Allzeithoch Apple und Deere & Co.. Aufgestockt haben wir dagegen z.B. JPM, Nestle, Nextera Energy, Procter & Gamble oder Rio Tinto. Unsere Toppositionen lauten nach wie vor z.B. Berkshire Hathaway, Microsoft, Johnson & Johnson, Nestle oder Procter & Gamble. Zu den Gewinnern in den letzten vier Wochen gehörten u.a. unsere Beteiligungspapiere an Abbvie. Abbvie ist ein globales biopharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Erforschung, Entwicklung und Vermarktung von Arzneimitteln konzentriert. Das Unternehmen wurde 2013 von Abbott Laboratories abgespalten und hat seitdem jedes Jahr die Dividende erhöht. Abbvie ist vor allem bekannt für seine Arzneimittel in den Bereichen Immunologie, Onkologie, Neurologie, Virologie und Allergologie. Einige der bekannten Produkte von Abbvie sind das Medikament Humira zur Behandlung von entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis und Morbus Crohn, das Krebsmedikament Imbruvica für bestimmte Arten von Leukämie und Lymphomen sowie Skyrizi gegen Schuppenflechte.
Auch unser H&H Stiftungsfonds (akt. Aktienquote 38%) konnte im Juli weiter zulegen und dabei sowohl von steigenden Zinsen als auch steigenden Aktienkursen profitieren. Im Bereich der Anleihen wurde eine des Emittenten Euroclear Bank fällig. Aufgestockt haben wir eine Nachranganleihe der österreichischen Lenzing AG. Im Bereich der Aktien verkauften wir nach einer Verdreifachung des Kurses vorerst komplett unsere Aktien von Nvidia. Die Bewertung mit einem KUV (Kurs-Umsatz-Verhältnis) von rund 35 erscheint uns derzeit einfach nicht nachhaltig genug, um in diese Bewertung zügig ohne Kursrückgang hineinzuwachsen. Nachgekauft haben wir Aktien von z.B. Automatic Data Processing, Essity oder Waste Management. Essity konnte gegen den Marktrend im Juli nicht zulegen. Warum sind wir von dem Unternehmen so überzeugt, dass wir die Kursschwäche zum Nachkauf nutzten? Den meisten Lesern und Leserinnen wird der Name wenig sagen und doch sind wir uns sicher, dass alle schon einmal sanften Kontakt mit einem sehr bekannten Produkt aus diesem Hause hatten. Die schwedische Essity ist ein Unternehmen, das sich auf Hygieneprodukte und Gesundheitslösungen spezialisiert hat.
Es entstand 2017 durch die Abspaltung der Hygiene- und Gesundheitssparte von SCA. Das Unternehmen ist einer der weltweit führenden Anbieter von Produkten wie Toilettenpapier, Taschentüchern („Tempo“!), Babywindeln, Inkontinenzprodukten, Damenhygieneprodukten und medizinischen Lösungen. Das Unternehmen ist in über 150 Ländern aktiv und bedient sowohl private Verbraucher als auch professionelle Kunden, wie beispielsweise in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Büros. Essity setzt sich für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung ein und hat sich zum Ziel gesetzt, innovative Produkte und Lösungen zu entwickeln, die die Lebensqualität der Menschen verbessern und gleichzeitig die Umweltbelastung reduzieren. Ein Unternehmen, dass sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat und ein defensives Geschäftsmodell verfolgt, was damit unsere langfristige Strategie erfolgreich unterstützt.
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