Eine Anmerkung vorweg. Wir sind und waren immer um Nüchternheit bemüht – das gilt für Phasen der Euphorie, genauso wie für Zeiten ausgeprägter Tristesse.
In unserem Tätigkeitsbereich geht es grundsätzlich um die Einordnung von Zahlen. So auch aktuell. Die folgenden Zeilen werden eine Einschätzung der Lage an den Kapitalmärkten sein. Das hinter den aktuellen Zahlen auch Todesfälle stehen, ist uns bewusst und wird entsprechend respektvoll reflektiert.
Wir machen mit diesen Zeilen aber keine medizinische, keine politische, aber auch keine menschliche Einschätzung. Wir bitten das beim Lesen entsprechend zu berücksichtigen.

Was verbreitet sich noch schneller als ein Virus? Angst.

Die Ausbreitung des Coronavirus (und mit ihr die Lungenerkrankung Covid-19) verunsichert die Anleger weltweit, Kursrückgänge, gerade an den Aktienmärkten, sind die Folge. Bei dem aktuellen Absturz überrascht weniger die Fallhöhe, denn auch im ausgezeichneten Börsenjahr 2019 gab z.B. der DAX zwischen Ende Juli und Mitte August zwischenzeitlich über 10% nach. Die aktuellen Kursrückgänge bewegen sich im Rahmen einer normalen, wenn auch heftigen Korrektur, wie sie an den Börsen immer wieder mal vorkommen.

Die Medien überbieten sich derzeit mit Schlagzeilen, was für Verunsicherung sorgt.

Es irritiert mehr die kurzfristige Dynamik, die dabei aufgenommen wurde. Der Stimmungsumschwung ist schon immens.

Feierte der DAX, wenngleich als einer der letzten der etablierten Aktienbörsen, am 17.2.2020 ein neues Allzeithoch, ist die Jubelstimmung mittlerweile der Panik gewichen. Seit dem Rekordhoch hat der deutsche Leitindex zeitweise mehr als 2.000 Punkte verloren.

Der amerikanische Dow Jones hat über zehn Prozent in vier Tagen abgegeben und am Donnerstag seinen höchsten Tagesverlust auf Punktebasis erlebt! Die Deutsche Bank spricht in diesem Zusammenhang schon von der schnellsten Korrektur der US-Aktienmärkte von einem Rekordhoch. Selbst der Börseneinbruch im Oktober 1987 werde derzeit übertroffen.
Wir wollen nunmehr die aktuellen Ereignisse versachlichen. An Spekulationen werden wir uns nicht beteiligen, ebenso werden wir nicht Einschätzungen abgeben, welche man wirklich Experten (man hat den Eindruck, als lebten 83 Mio. Virologen in Deutschland) überlassen sollte. Die Medien (und die vielen Bilder) überbieten sich derzeit mit ihren Schlagzeilen, was ebenfalls für Verunsicherung sorgt.

Die Geschwindigkeit der aktuellen Korrektur an den Finanzmärkten offenbart, dass die meisten Investoren das Coronavirus lange Zeit als beherrschbares und lokales Problem eingeordnet haben. Mit dem Auftreten weiterer Infektionen auf anderen Kontinenten (und abseits des Ursprungortes in China), ist diese optimistische Annahme sprungartig ins Wanken geraten.

Unsere globalisierte Welt, mit ihren abgestimmten Fertigungs- und Lieferketten, dürfte härter und länger getroffen werden als noch vor kurzem erwartet. Unternehmen haben die letzten Tage explizit auf diese Unsicherheit hingewiesen. Die deutsche Automobilindustrie, Lufthansa, aber auch Apple oder Microsoft.

Die oben zitierte Angst kann man an der Börse ein Stück weit messen. Der Volatilitätsindex V-Dax, als Gradmesser für zu erwartete Schwankungen, schoss mit Werten von über 40 förmlich nach oben und erreichte Niveaus, die wir zuletzt bei den Inflationsängsten im Januar 2018 oder in der Staatsschuldenkrise Herbst 2011 sahen.

Gesucht werden „sichere Häfen“ wie Staatsanleihen der USA oder des Bundes. zehnjährige US-Staatsanleihen sind auf Rekordtief (unter 1,2% p.a.) und zehnjährige Bunds sind ebenfalls auf Allzeittief bei rund -0,60% p.a.

Aufgrund virusbedingter Sorgen um die Konjunktur und vor dem Hintergrund der fallenden Rohstoffnotierungen tendiert die ohnehin niedrige Inflation noch tiefer. Somit ist von der Finanz- und Geldpolitik vorerst keine (Zinswende-)Reaktion zu erwarten und die Renditen dürften noch längere Zeit niedrig bleiben.
Der Klassiker an Absicherung, das Gold, verzeichnete diese Woche allerdings ebenfalls schwächere Notierungen und auch der US-Dollar gab zum Euro nach.

„Wir wissen, dass wir nichts wissen“

Das wusste schon der griechische Philosoph Sokrates. Daher gilt für uns, die Lage sehr genau zu beobachten, sukzessive zu reagieren, aber keinesfalls sich zu panikartigen Spontanentscheidungen hinreißen zu lassen. Die politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Folgen sind derzeit nicht seriös abzuschätzen. Aber gewiss ist, dass die derzeitige Lage (Absage von Veranstaltung, Störung von Lieferketten, Einschränkung des Konsums) Spuren in der Konjunktur und in den Unternehmensberichten hinterlassen werden.

Sollte das Virus beherrschbar bleiben, werden diese ökonomischen Folgen steuerbar bleiben und früher oder später durch Nachholeffekte kompensiert werden. Sollte es hingegen zu einer ausgewachsenen Pandemie kommen, quasi der Ausnahmezustand als Dauerzustand, wäre das ein „Game-Changer“, wo es zu einer kompletten Neubewertung kommen würde.

Die Bedrohung kommt zu einer Zeit, in der die Weltwirtschaft ohnehin schwächelt.

Hilfreich in Extremphasen ist der Umstand, dass Börsen (gerade die amerikanischen) eine lange Historie aufweisen und aktuelle Ereignisse oft prominente -ähnliche gelagerte- Vorgänger haben.

So haben wir uns vier große Pandemien der letzten 100 Jahre angeschaut, wie die „Spanische Grippe“ (1918-1920), die „Asiatische Grippe“ (1957-1958), die „Hongkong-Grippe“ (1968-1970) und „SARS“ (2002-2003). Alle Pandemien lassen sich relativ gut miteinander vergleichen, da die Erreger leicht über die Luft übertragen werden können. Alle Pandemien forderten Menschenleben, wobei die „Spanische Grippe“ mit geschätzten 30-50 Millionen den größten Einschnitt bedeutete. Bei den weiteren Epidemien waren die Zahlen schon deutlich geringer, was auch auf eine bessere internationale Kommunikation und vor allem bessere medizinische Versorgung hindeutet.

Was zeigt die Erfahrung?

Ein klassisches Aktienkursmuster einer Pandemie in dem Sinne gibt es nicht. Die Kursverläufe unterscheiden sich teilweise enorm. Auffallend bei allen ist mit erstem Auftreten einer Infektion eine Phase erhöhter Unsicherheit. Diese dauert ca. 2-4 Monate, mit sprunghaften Ausschlägen nach oben und unten. Nach dieser Phase gewinnen andere Parameter die Oberhand, immer vorausgesetzt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen bestimmbar bleiben.

So schlossen sich der „Spanische Grippe“ und auch der „Asiatischen Grippe“ mittelfristig wieder teilweise stark steigende Kurse an, fielen sie doch in den Kontext der Aufbruchstimmung nach Ende des Ersten Weltkrieges bzw. des Wirtschaftswunders nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Mit Aufkommen der „Hongkong-Grippe“ fielen die Aktienkurse dagegen mittelfristig deutlicher nach unten. Ursächlich waren dafür das immer weitere militärische Verstricken der USA in den Vietnamkrieg, der finanziell das Land extrem belastete. Folge war eine Rezession, die durch das Virus noch verstärkt wurde.

„SARS“ wiederum verlief dagegen recht glimpflich ab und dass obwohl damals die Globalisierung schon weiter vorangeschritten war als bei den drei genannten Vorgängern. „SARS“ fiel in die Zeit nach der Baisse infolge vom Platzen der Dot.com Blase, Irak-Krieg und Rezession. Auch hier standen nach einer Phase erhöhter Volatilität mittelfristig wieder höhere Notierungen auf der Kurstafel.

Mit dem aktuellen Virus handelt es sich definitiv um ein globales Phänomen. Bei aller Verletzlichkeit macht das aber auch bewusst, dass weltweit nach Lösungen gesucht wird. Die Fortschritte der letzten Jahrzehnte im Bereich der Medizin waren beachtlich. Das sollte uns aber auch ein Stück weit Mut machen.

Wir bleiben wachsam

Daher gilt für uns, derzeit neben der oben beschriebenen Wachsamkeit an unseren Grundannahmen festzuhalten. Diese lauteten in unserem Jahresausblick, dass wir niedriges Wirtschaftswachstum, niedrige Inflation und niedrige Zinsen erwarten. Dazu erwarteten wir eine Rückkehr der Volatilität, wobei antizyklisches Handeln elementar sein würde. Das bedeutete z.B. für uns auch, beim Jahreshoch vor zwei Wochen nicht in Kaufpanik zu geraten, genauso wie man derzeit nicht automatisch in voreilige undifferenzierte Verkaufshektik verfallen sollte.

Niedrige Inflation und niedrige Zinsen erscheinen mehr denn je zementiert. Bleibt das niedrige Wachstum. Da gilt es in der Tat wachsam zu bleiben, inwieweit sich die vielfältigen Einflüsse konkret auswirken.

Die Bedrohung kommt zu einer Zeit, in der die Weltwirtschaft ohnehin schwächelt. Der Handelsstreit zwischen den USA und China hatte schon seine negativen Auswirkungen hinterlassen, genauso wie der ungelöste Brexit, der Unternehmer wie Verbraucher zugleich von Investitionen und Konsumausgaben abhielt.

Allerdings ist zu erwarten, dass die Notenbanken, womöglich sogar in Kombination mit den Regierungen, ein starkes Signal an die Märkte senden werden. Zum einen wissen sie, wie fatal eine Eskalation sein kann (z.B. Lehman-Pleite), zum anderen sind sie mit ihrer historischen Geldpolitik schon einen sehr weiten Weg gegangen.

Qualität setzt sich durch.

Unsere Portfolien bestehen aus ausgewählten, dividendenstarken Qualitätsaktien (langfristig erfolgreiches Geschäftsmodell, Positionierung in der Branche, Managementqualität), ausgewählten Schwellenländeranleihen, Gold und Liquidität. Uns ist bewusst, dass diese Zusammensetzung nicht „immun“ gegen die derzeitigen Kursrückgänge ist. Kursrückgänge bzw. Schwankungen gehören zum Börsengeschehen, können aber die Psyche des Anlegers sehr wohl belasten, da diese Buchverluste ein geringeres Vermögen kurzfristig bedeuten.

Unser Anlagestrategie ist langfristig ausgelegt, die Zusammensetzung so ausgerichtet, die negativen Realzinsen zu heilen und auch Krisen gut durchzustehen. Qualität setzt sich unserer Meinung nach immer durch. In Krisenzeiten scheitern die schwachen Unternehmen – Qualitätsunternehmen stehen somit nach einer Krise sogar unter Umständen besser da als zuvor.

Ein Beispiel: Die Allianz veröffentlichte Mitte Februar Unternehmenszahlen. Diese fielen überwiegend erfreulich aus und die Eigentümer sollen entsprechend daran partizipieren. Die Hälfte des Jahresüberschusses will das Unternehmen regelmäßig als Dividende ausschütten und diese zukünftig zumindest stabil halten. Schon seit Jahren steigert das Unternehmen kontinuierlich seine Dividende und selbst in schwierigen Marktphasen (2003 oder 2009) gab es eine Ausschüttung.

Wichtig ist natürlich, dass Gewinnausschüttungen nicht zu Lasten der Substanz gehen. Daher schauen wir uns sehr genau die Gewinnentwicklung und -qualität an, aber auch wie hoch die Kapitalpolster sind. Für die aktuelle Periode sind 9,60 Euro Dividende je Aktie vorgesehen. Trotz dieser Aussage notierte die Aktie Ende Februar nicht mehr bei 232 Euro (wie nach den Zahlen), sondern bei 192 Euro. Eine reine Kurseintrübung in Zeiten des Virus.

Nehmen wir an, wir besitzen die Aktie und das Unternehmen zahlt auch die nächsten Jahre Dividende. Nehmen wir an, die Zeiten werden schwieriger und die Dividende bleibe „nur“ stabil. Das würde bedeuten, nach gut 20 Jahren hätten wir unser eingesetztes Kapital zurück. Das ist unsere ertragsfokussierte Betrachtung, abseits von täglichen Kursschwankungen, die man ohnehin kaum beeinflussen kann.

Die reinste Form der Spekulation

Nehmen wir an, wir wollen diese Kursschwankungen dennoch nicht mehr ertragen und dagegen „absolute Sicherheit“ haben, dann landen wir bei deutschen Staatsanleihen. Kaufen wir nunmehr eine solche mit Laufzeitausrichtung von gut 20 Jahren, dann kann man derzeit eine Rendite von rund -0,2% p.a. erzielen. Wir haben uns somit zum Laufzeitende eine negative Rendite gesichert. Die einzige Möglichkeit, eine positive Rendite zu erzielen, besteht darin, zu hoffen, dass die Kurse der Bundesanleihen weiter steigen, die Renditen noch weiter ins Negative sinken.

Das ist für uns aber die reinste Form der Spekulation, nämlich das alleinige Hoffen auf Kursgewinne, was nicht unserer Auffassung von Vermögensanlage entspricht. Wir wollen Investieren und dann landet man zwangsläufig auch bei ausgewählten Dividendenwerten. Die verschiedenen Branchen werden während des Virus ganz unterschiedlich tangiert. Automobil, Finanztitel, Touristik oder Luftverkehr spielen bei uns schon länger eine stark untergeordnete Rolle. Unser Schwerpunkt liegt bei Pharmatiteln oder Vertretern mit Konsumartikeln für den täglichen Bedarf.

Auch die seit Jahren beliebten (und stark im Preis gestiegenen) Immobilien haben ihre Schwächen. Möchte man eine erwerben, fallen in der Regel Nebenkosten (Makler, Notar, Grundbuchamt etc.) von ca. 10-15% an. Anleger zahlen diese gerne, investieren sie doch in echte Sachwerte. Nichts anderes sind aber auch Qualitätsaktien. Sie haben halt nur den „Nachteil“, dass sie täglich handelbar sind. Ihr großer Vorteil wird ihr zum Nachteil gereicht, weil man in Stresssituationen Aktien immer schneller als Immobilien verkaufen kann.

Diversifizierung bleibt Trumpf.

Daher bleiben wir zuversichtlich, dass unsere Grundannehme und unsere Portfoliozusammensetzung auch in diesen Zeiten richtig ist und langfristig erfolgreich sein wird. Diversifizierung bleibt Trumpf. Aktien aus verschiedenen Branchen, Regionen und Währungen. Genauso wie aktives Rentenmanagement außerhalb des Euroraumes, Gold und Liquidität für Nachkäufe und Stabilisierung.

Aktivität soll und darf hierbei nicht mit Aktionismus verwechselt werden. Flexibilität und antizyklischen Investieren, Ruhe in der Bewertung der täglichen Nachrichten und ein Verständnis für nachhaltige Qualität werden uns mehr denn je in der täglichen Entscheidung begleiten.

Bei Rückfragen stehen wir wie gewohnt gerne zur Verfügung.

Das Portfoliomanagement

Andreas Fritz

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Andreas Heinrich

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Christian Böhm

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Lars Slomka

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