Das Jahr 2020 wird laut und schmutzig,
aber auch viele Chancen bieten

Das Jahr 2019 wird für Kapitalanleger als ein erfreuliches in die Geschichtsbücher eingehen. Wesentliche Anlageklassen wie Aktien, Anleihen oder Gold konnten simultan zulegen. Damit erfüllte sich eine Kernthese unseres Ausblickes vom Vorjahr, als wir die Lage besser als die Stimmung einschätzten und zuversichtlich ins neue Jahr blickten. Ursächlich für die Kursanstiege waren eine verbesserte Kommunikation der US-Notenbank und das Ausbleiben politischer Stresssituationen (der verschobene Brexit beispielsweise) bzw. das scheinbare Gewöhnen an die temporären Störfeuer aus den verschiedenen Machtzentren. Damit einhergehend ging die Volatilität spürbar zurück. Die „Japanisierung“ der Welt ist in vollem Gange. Niedrige Wachstumsraten, niedrige Inflation, niedrige Zinsen! Der Versuch einer Zinswende Ende 2018 durch die US-Notenbank war schlecht kommuniziert und sorgte für entsprechende Panikreaktionen an den Kapitalmärkten. Nunmehr gilt vorerst mehr Zinsende statt Zinswende. Die Verschuldung der Staaten, Unternehmen und Privathaushalte lässt mittlerweile auch nur wenig Spielraum, um nachhaltig an der Zinsschraube zu drehen. Gleichzeitig sorgen aber globalisierte Arbeitsteilung, Demografie und Robotisierung dafür, dass wir uns an geringere Inflationsdaten gewöhnen müssen. Wie wir die einzelnen Assetklassen konkret bewerten, beschreiben wir im Folgenden.

Weltwirtschaft

Die Weltwirtschaft wird unserer Einschätzung nach auch 2020 moderat (wir erwarten gut 3%) weiterwachsen. Mit welcher Dynamik, wird dabei ein gutes Stück von der Politik entschieden. Die Notenbanken haben das Feld für mehr Wachstum bereitet, jedoch liegt es an den politischen Entscheidungsträgern, mit fiskalischen Impulsen oder Strukturreformen die weiteren Potentiale zu heben. Das ist bislang nicht zu erkennen! Im Jahr 2019 konnte zumindest eine Rezession verhindert werden, im Jahr 2020 werden sich die Wachstumsraten jedoch allenfalls auf niedrigem Niveau leicht aufwärtsbewegen.

Zinsende statt Zinswende.

Zuversichtlich stimmt uns, dass die Erwartungskomponenten der globalen Produktion im Herbst 2019 wieder leicht zulegen konnten.

Hat die Politik die dafür notwendige Kraft? Wir bleiben diesbezüglich skeptisch, da sich wichtige Machtfelder am Scheideweg befinden. Im November 2020 stehen in den USA die Präsidentschaftswahlen an. Wir gehen von einem lauten und anstrengenden Wahlkampf aus, den es in solcher Form noch nie gegeben hat. Das wird auch die Stimmungslage nicht ganz unbeeindruckt lassen. In Europa gilt es zu schauen, inwieweit sich die EU, ohne Großbritannien, neu erfindet. Deutschland und Frankreich sollten Motor dieser Entwicklung sein, jedoch wird die Große Koalition in Berlin mehr denn je mit sich selbst beschäftigt sein und sich schon eher für die Post-Merkel-Ära positionieren. China konnte lange Zeit im Windschatten wachsen, denn „die westliche Welt“ hatte mit den Folgen Ihrer Finanz- und Staatsschuldenkrise zu tun. Die USA werden, ganz unabhängig von der Person Trump, den Aufstieg Chinas jedoch soweit wie möglich bekämpfen, langfristig aber nicht aufhalten können. Gleichzeitig wird sich zeigen, inwieweit planbarer Staatskapitalismus chinesischer Prägung dauerhaft möglich ist (siehe Hongkong). Wir werden tendenziell eine Neudefinition der Globalisierung erleben, (internationales Wachstum unter einer stärkeren Berücksichtigung der eigenen Interessen), auch um den immer stärker werdenden sozialen Spannungen in der Gesellschaft begegnen zu können.

Geldpolitik und Rentenmärkte

Man soll ja mit Superlativen in einem von „Breaking News“ geprägten Tagesgeschäft vorsichtig sein und doch war 2019 für die Rentenmärkte ein äußerst bemerkenswertes Jahr. Das Mantra einer scheinbar bedingungslosen Niedrigzinspolitik (weltweit gab es 2019 mehr als 50 Zinssenkungen) hat sich nochmals manifestiert. Gleichwohl bleiben die Sparquoten bzw. der Anlagedruck hoch, genauso wie die Investitionsneigung der Unternehmen (aufgrund der unsicheren politischen Rahmenbedingungen) gering bleibt. Somit floss hohes Volumen insbesondere in passive ETF-Produkte und führte zu bislang noch nicht gesehenen Renditeniveaus. Beispielsweise notierten die Staatsanleihen Deutschlands erstmals über alle Laufzeiten (bis 30 Jahre) im negativen Terrain. Wir gehen davon aus, dass sich die Fed (nach ihrem scharfen 180 Grad Schwenk in 2019) im Wahljahr nicht politisch instrumentalisieren lassen und defensiver agieren wird. In Europa ist der Staffelstab von Draghi an Lagarde übergeben worden. Sie wird seine („whatever it takes“) Politik in aller Konsequenz fortsetzen. Positive Realrenditen mit Anleihen zu erzielen, wird auch im nächsten Jahr nahezu unmöglich sein. Somit ist gerade in diesem Bereich aktives Management gefragt, um Opportunitäten zu nutzen. Diese sehen wir bei Neuemissionen, bei Schwellen
länderanleihen, dem effektiven Steuern der Renditestrukturkurve und Spezialitäten im Unternehmensanleihebereich.

Aktienmärkte

Vorbehaltlich des Ausbleibens einer Eskalation der Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China sieht das Risiko/Chance-Profil bei Aktien gar nicht schlecht aus. Aktien sind nach dem erfolgreichen Jahr 2019 in ihrer Bewertung zweifelsohne teurer geworden, allerdings unserer Meinung nach nicht überteuert, insbesondere im Vergleich zu anderen Anlageklassen. Die Verschuldungsdebatte, aber auch Enteignungsdiskussionen und die niedrigen Zinsen rücken das Thema Sachwerte immer mehr in den Vordergrund. Die Verzerrung sämtlicher Kapitalmärkte durch die sprunghafte Politik und die Notenbanken wird mit erhöhter Volatilität einhergehen. Aktives Management kann und wird hierbei einen Mehrwert erzielen. Das bedeutet für uns, in Qualitätsaktien zu investieren und auch investiert zu bleiben, wenn es zu Rückgängen kommt. Diese wiederum gilt es dann, für taktische Zukäufe zu nutzen. Ausgewählte europäische Aktien sollten nach langer Zeit, eine echte Chance zur Outperformance bieten. Zum einen haben sie Nachholbedarf, zum anderen sind diese bei vielen Großanlegern untergewichtet und zeichnen sich durch Bewertungsvorteile aus. Das gilt jedoch nicht für alle Unternehmen gleichermaßen. Wichtig bleibt bei der Auswahl, Aktien zu selektieren, die ein starkes Geschäftsmodell und einen langfristigen Wachstumstrend haben. Als solche haben wir Unternehmen aus Branchen wie Gesundheit, Wasser- und Abfallwirtschaft und Infrastruktur identifiziert. Die von uns im Portfoliomanagement schon seit längerem vertiefte Implementierung von ESG-Kriterien wird sukzessive belohnt werden, da der Druck seitens der Politik in diese Richtung zunimmt. Eine nachhaltige Dividendenpolitik, die aus steigenden Unternehmensgewinnen (und nicht aus der Substanz) finanziert wird, bleibt wesentlicher Kern unserer Strategie.

Währungen

„Meine Währung, dein Problem“. Währungen haben sich inzwischen zu einem neuen politischen Machtinstrument entwickelt, was auch plausibel erscheint, da die expansive Notenbankpolitik an Grenzen stößt und klassische Konjunkturpolitik aufgrund der angespannten Haushaltslage oder der jeweiligen politischen Machtkonstellationen immer schwerer umzusetzen ist.

Meine Währung.
Dein Problem.

Daher gehen wir in den wesentlichen Währungspaaren von ausgedehnten Seitwärtsphasen aus, in denen die jeweiligen Interessen eine Balance finden werden.

Tendenziell sehen wir den EUR/USD zwischen 1,05 und 1,15 handeln. Je nach Entwicklung der politischen Risiken könnte es zu sprunghaften Kursbewegungen an die Ränder kommen. Im ersten Halbjahr sollte der Wachstums- und Zinsvorsprung der USA auf der einen Seite und die wohl expansivere EZB-Politik auf der anderen Seite eher für den US-Dollar sprechen. Mit Blick auf das dann folgende Jahr, dürfte im Nachgang der US-Präsidentenwahl, die Fed wieder mehr Zinssenkungsfantasie aufkommen lassen, sodass in der zweiten Jahreshälfte eher der Euro profitieren sollte. Als strategische Beimischung favorisieren wir weiterhin die Norwegen Krone und den Schweizer Franken.

Rohstoffe

Die Entwicklung der Rohstoffpreise wird zwangsläufig durch die Entwicklung des Wirtschaftswachstums bestimmt werden. Wir erwarten keine deutlichen Preissteigerungen, jedoch ebenfalls größere Schwankungen, so z.B. beim Ölpreis. Das Angebot weltweit erscheint ausreichend, die Förderdisziplin der OPEC geschwächt und die USA haben sich durch Schieferöl zum Nettoexporteur entwickelt. Im Bereich Rohstoffe bleibt unser Fokus beim Gold. Investitionen in andere Rohstoffe, wie z.B. Agrarrohstoffe, lehnen wir aus ethischen Gründen ab. Gold weist keine laufenden Erträge auf, die Opportunitätskosten waren in der Vergangenheit entsprechend hoch. Dies hat sich im Zuge der historischen Zinspolitik massiv verschoben. Daher glauben wir weiterhin, dass eine Beimischung von Gold (5-7%) im Depot sinnvoll ist, da es gerade bei vielen Anlegern noch untergewichtet ist. Auch bei den globalen Notenbanken rückt das Gold zusehends auf die Agenda, quasi als Ergänzung zur wichtigsten Reservewährung US-Dollar. Wir betrachten Gold immer noch als eine Art „Feuerversicherung“ für das Depot. Sollte das Kapitalmarktumfeld sich durch einen exogenen Schock kurzfristig spürbar eintrüben, wird ein steigender Goldpreis das Depot stabilisieren.

Qualität hat ihren Preis, aber Qualität wird sich durchsetzen.

Sollte das Kapitalmarktumfeld sich durch einen exogenen Schock kurzfristig spürbar eintrüben, wird ein steigender Goldpreis das Depot stabilisieren.

Sollte das Kapitalmarktumfeld sich durch einen exogenen Schock kurzfristig spürbar eintrüben, wird ein steigender Goldpreis das Depot stabilisieren.

Portfoliostruktur

Die Kursentwicklung 2019 hat einiges an Lösungen der vielen Problemfelder vorweggenommen und in den Kursen eingepreist. Vieles auf der globalen „to-do“-Agenda ist aber noch unerledigt und bietet Stresspotential. Das bremst erhöhtes Kurspotential, sodass wir nicht von ähnlichen Performancezahlen wie 2019 im Jahr 2020 ausgehen. Gleichzeitig sind viele der möglichen Ereignisrisiken bekannt, sodass Schockerlebnisse ausbleiben sollten. Dennoch sollte die Volatilität tendenziell zunehmen. In diesen Herausforderungen sehen wir jedoch ausdrücklich auch Chancen, gilt es dann, echte Qualität, die wir schwerpunktmäßig im Aktienbereich sehen, „günstiger“ ins Depot aufzunehmen. Das bedingt jedoch auch, temporär erhöhte Liquiditätsreserven zu halten und den Einstieg zu optimieren. Einfache, passive Anlagephilosophien sollten somit an Grenzen stoßen, ein aktiver und disziplinierter Ansatz, der nicht mit Aktionismus verwechselt werden
darf, wird Grundwesen unseres Portfoliomanagements sein. Positive Performance ist dabei nicht alles, sie muss auch immer im Kontext zum eingegangenen Risiko gesehen werden. Nichtsdestotrotz darf vor dem Hintergrund eines von uns erwarteten politisch anstrengenden Jahres 2020 der mittelfristige Blick nicht verloren gehen. Eine robuste, strategische Vermögensallokation, unter Einbeziehung von Aktien, Anleihen, Gold und Liquidität, die in Ihren einzelnen Nischen Substanzpotentiale nutzen, bleibt unserer Meinung nach, noch immer die beste Antwort auf die oben skizzierten „japanischen Verhältnisse“. Das sollte uns auch davor schützen, prozyklisch zu agieren oder die eigenen bewährten Anlageprinzipien kurzfristig zu missachten. Qualität hat sicherlich ihren Preis, Qualität wird sich aber auch immer langfristig durchsetzen.