Zwei Halbzeiten: Ein langes 2022 und ein kurzes 2023

Königin Elisabeth II. sprach 1992 von einem „annus horribilis“ für das Haus Windsor. In Anbetracht von Energie- und Klimakrise, Inflation und Pandemie, Wohlstandsverlusten, Chaos in Großbritannien und vor allem Russlands Krieg gegen die Ukraine lässt sich für Europa das Jahr 2022 in einer ähnlichen Kategorie einsortieren. Ein enttäuschendes Aktienjahr liegt hinter uns und an den Anleihemärkten gab es je nach Segment Verluste, die wir seit Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten nicht mehr gesehen haben. Viele würden gerne zum Jahreswechsel den Reset-Schalter umlegen und unbelastet von vorne starten. Wir sind uns aber sicher, dass wichtige Fragen noch unbeantwortet sind und ins Neue Jahr mit hinübergenommen werden. Das Jahr 2022 wird also quasi verlängert. Wir befinden uns vor einer ausgeprägten Nebelwand, aus der mal das eine oder mal das andere Problem (gerne auch gleichzeitig) hervorkriecht. Abseits dessen, bleiben vor allem zwei Aspekte elementar. Die US-Notenbank hat in diesem Jahr eine scharfe geldpolitische Wende vollzogen. War lange noch die Inflation als „transitory“ abgetan worden, vollzog sie in 2022 die schnellste und schärfste Zinserhöhungswende der US-Wirtschaftsgeschichte und korrigierte ihre Fehleinschätzung. Zum Jahresende zeichnet sich ab, dass wir dem möglichen Gipfel bei der Inflation und auch dem Zenit der Zinserhöhungen recht nahe sind, aber doch länger als gedacht mit höheren Zinsniveaus auskommen werden müssen. Man muss sich jedoch bewusst machen, dass Zinsveränderungen träge sind und der Erfahrung nach erst mit einer Zeitverzögerung von sechs bis zwölf Monaten wirken. Das kann z.B. auch bedeuten, dass just in einem Wirtschaftsabschwung Zinserhöhungen erst ihre Wirkung entfalten und dann ungewollt prozyklisch wirken. Die Suche des neuen Gleichgewichts zwischen Inflation/Zinsen und Wirtschaftsabkühlung wird eines der großen Themen im Jahr 2023 werden. Das andere beherrschende Thema bleibt die Energiesicherheit, gerade für einen Industriestandort wie Deutschland. Die große Sorge leerer Gasspeicher konnte für diesen Winter geheilt werden, da ja noch bis in den Sommer russisches Gas floss. Der Winter 2023/24 könnte womöglich der problematischere werden. Aus den genannten Gründen gehen wir von einer gewissen Zweiteilung des Börsenjahres 2023 aus. Die erste Jahreshälfte wird vorrangig mit den Zinserhöhungen des Jahres 2022 und den Auswirkungen auf die Unternehmen beschäftigt sein und nach unserer Einschätzung mit erhöhter Volatilität einhergehen. Bullenmärkte beginnen einen neuen Zyklus der Erfahrung nach im Kontext einer Rezession und mit der Erwartung erster Zinssenkungen. Dieses wird das Thema der zweiten Jahreshälfte 2023 werden. So dramatisch und belastend vieles wirkte, ein Gutes hatte 2022 auch: Es ist wieder mehr Realismus an den Kapitalmärkten eingezogen. So erfreulich die letzten zehn Jahre an den Börsen auch gewesen sein mögen, sie waren im Endeffekt nur Ausdruck einer extremen Notenbankpolitik des billigen Geldes. Das führte zu ungesunden Begleiterscheinungen, siehe MMT, SPACs oder Krypto-Token. Geld hat wieder einen Preis bekommen und Geschäftsmodelle werden nach ihrem nachhaltigen Erfolg bewertet. Das ist gesund und war auch überfällig. Genau auf solche Qualität fokussieren wir uns seit jeher und dies schützte uns vor deutlichen Kursverlusten in diesem Jahr und macht uns grundsätzlich zuversichtlich für die Zukunft. Wie wir die einzelnen Assetklassen konkret bewerten, beschreiben wir im Folgenden.

Weltwirtschaft

Das für das Jahr 2022 vorgesehene Drehbuch war ursprünglich anders konzipiert. Die Wirtschaft sollte sich im Umfeld reduzierter Corona-Restriktionen weiter erholen. Die Lockerungen kamen, wenngleich vorrangig in den westlich geprägten Volkswirtschaften. China hingegen hielt selbst dann noch an seiner Null-Covid-Strategie mit aller Härte fest, als sich abzeichnete, dass womöglich nicht nur der wirtschaftliche, sondern auch der innenpolitische Schaden unerwartet groß sein könnte. Jedoch zeigt das Wort des Jahres („Zeitenwende“), dass wir mittlerweile in einer unversöhnlichen Welt der Polykrisen leben. Gestörte Lieferketten in China und Osteuropa, aber vor allem sprunghaft verteuerte Energiepreise belasteten Konsumenten- und Investitionsklima. Damit hat sich das globale Wachstum 2022 deutlich verlangsamt und wird sich unserer Einschätzung nach 2023 weiter eintrüben. Die „1 Million Euro-Frage“ lautet dabei, ob es ein milder Abschwung, ein starker Einbruch oder eine heftige Rezession sein wird. Die Beantwortung dieser Frage kann (Stand heute) nicht abschließend beantwortet werden. Dazu sind schlicht zu viele politische Parameter offen. In diesem Jahr zeigte sich der Arbeitsmarkt noch sehr robust (Unternehmen haben die Problematik Fachkräftemangel erkannt und halten Personal länger als früher) und die Konsumenten zeigen sich noch ausgabefreudig. Das Zwangssparen während der Lockdowns führte zu üppigen Rücklagen und der Nachholbedarf ist weiterhin enorm hoch. Gleichzeitig federn die Staaten (gerade in Europa) noch viel ab. Gaspreisbremsen, Strompreisdeckel, Sondervermögen, Doppel-Wumms. Man kam da zeitweise nicht mehr hinterher, es ist aber auch gewiss, dass sich das nicht beliebig wiederholen lässt und es früher oder später sich auf den Konsum auswirken wird. Vorbehaltlich keiner neuen exogenen Schocks erwarten wir ein globales Wachstum zwischen 2% und 2,5%, wobei es deutliche regionale Unterschiede geben wird. In Europa werden wir uns aus den o.g. skizzierten Punkten auf eine Rezession einstellen, deren Härte davon abhängen wird, wie schnell und wie teuer Energiealternativen aufgezeigt werden können. In den USA erwarten wir anämisches Wachstum („technische Rezession“). Wichtig wird dort die Entwicklung des Immobilienmarktes sein. Die Konditionen für Immobilienfinanzierungen haben sich massiv verteuert (mehr als verdreifacht in 2022). Steigen die monatlichen Raten, stehen Zwangsverkäufe an und andere Immobilien verlieren an Wert. Ein Teufelskreislauf. Chinas Regierung hat allein politisch motiviert, ein hohes Interesse an hohem Wachstum. Der Deal lautet „Verzicht auf Freiheit gegen sozialen Wohlstand“. Das macht die derzeitige Lage so delikat. Chinas Wachstum sollte zwischen 3% und 4% liegen, was Wachstumsraten weit unter den langfristigen Durchschnittsraten entspräche.

Geldpolitik und Rentenmärkte

Ein Rentenjahr historischen Ausmaßes, was die Verluste betrifft, liegt hinter uns. Lange nicht gekannte Zinserhöhungen bestimmten das Geschehen. Allzu deutlich zeigten sich auf einmal die Tücken der jahrelangen extremen Nullzinspolitik, denn für ausstehende Anleihen ist es ein enormer Unterschied, ob Zinsen von 0% auf 2% oder von 3% auf 5% angehoben werden. Das führte bei vielen „zinslosen Risikopapieren“ zu beträchtlichen Kursverlusten, denn höhere Renditen sind Gift für bereits emittierte Anleihen. Ursächlich war der 180 Grad Strategieschwenk der US-Notenbank. Lange, wohl zu lange, betrachtete sie die Inflation als vorübergehendes Problem. Als der Preisauftrieb sich immer weiter verfestigte, vollzog sie die schnellste und schärfste Zinserhöhungswende der US-Wirtschaftsgeschichte. Notenbanken wie BoE oder EZB folgten, wenngleich die FED beim Tempo in einer eigenen Liga spielte. Die Prioritäten haben sich somit klar verschoben. Es gilt das Primat der Inflationsbekämpfung. Das ist auch politisch gewollt, um den Sozialen Frieden zu wahren. Sie werden den Kampf gewinnen, denn gegen Inflation sollten neben den hohen Zinsen auch die hohen Preise selbst helfen. Größere Inflation beinhaltet jedoch als Kollateralschaden massive Wohlstandsverluste und eine Eintrübung der Konjunktur. Wir haben unserer Meinung nach den Höhepunkt der Inflationsentwicklung in 2022 gesehen und der Trend der Disinflation wird sich in 2023 fortsetzen. Allerdings hat der Preisdruck an Breite gewonnen (erste Tarifabschlüsse deuten darauf hin) und damit wird das Inflationsziel der Notenbanken von 2% vorerst unrealistisch bleiben. Wir erwarten im Jahresdurchschnitt für die USA rund 4% und für Europa rund 6% Inflation. Abseits dessen sollten noch weitere übergeordnete Aspekte nicht vernachlässigt werden. Wir kommen aus dem Jahrzehnt der ultralockeren Geldpolitik, die auch wieder zurückgeführt werden muss. Den ersten Lackmustest einer Bilanzverkürzung sahen wir in diesem Jahr in Großbritannien, der kurz davor war, zur Kernschmelze zu eskalieren. Mit ihrer Politik des billigen Geldes haben die Notenbanken ein Stück weit auch ihre Glaubwürdigkeit verloren. Daher ist davon auszugehen, dass die Zinsen zwar schon bald in 2023 nicht mehr steigen, aber deutlich länger als erwartet auf diesem Niveau verharren werden. Das Mantra lautet nicht mehr „Whatever it takes“, sondern „Until the job is done“. Daher wird es dieses Mal auch länger dauern, bis erste Zinssenkungen bei der sich abzeichnenden Wirtschaftsabkühlung thematisiert werden. Darüber hinaus wird die Geldpolitik in den 2020er Jahren sich mit den großen Trends beschäftigen müssen. Fachkräftemangel durch Demographie, Transformationskosten durch Dekarbonisierung und die Folgen der Deglobalisierung. Das wird das Inflationsniveau perspektivisch vom Korridor der 2010er Jahre (0%-2%) auf 2%-4% heben. Mit dem kräftigen Renditeanstieg des Jahres haben wir einen Großteil der Neubewertung absolviert. Zur Erinnerung: 10-jährige Bundesanleihen starteten mit negativen Renditen ins Jahr und boten im Herbst über 2% p.a. Die US-Treasuries vollzogen eine Wende von 1,5% auf zeitweise über 4% p.a.! Hier sehen wir mittlerweile in einzelnen Märkten mehr Chancen denn Risiken, insbesondere, wenn sich die Rezession nach und nach herauskristallisieren sollte, erwarten wir rückläufige Renditen und werden das entsprechend nutzen.

Aktienmärkte

Mit Beginn des Jahres trübten sich charttechnische Signale ein und wesentliche Aktienmärkte verließen übergeordnete Aufwärtstrends. Wir nahmen diese Warnsignale zum Anlass, unsere Aktienquoten zu reduzieren. Seit Beginn der „Zeitenwende des 24.2.“ gab es neben deutlichen Abverkäufen auch bemerkenswerte Erholungsrallyes, die sich jedoch vor allem in den USA als Bärenmarktrallyes entpuppten. In Europa hat sich die Charttechnik inzwischen aufgehellt. Ursächlich waren dafür die Beruhigung nach dem massiven Kapitalabfluss angelsächsischer Adressen im Frühjahr aus Europa, die niedrigeren Zinsen und der Bewertungsvorsprung. In Relation zu den Anleihemärkten hielten sich viele Aktienmärkte vergleichsweise gut. Crashähnliche Kursrückgänge konnten wir jedoch im Bereich der Technologietitel vernehmen. Verluste von teilweise mehr als 60% gab es bei vielen ehemaligen Highflyern. Selbst die erfolgsverwöhnten US-Big-Techs mussten ordentlich Federn lassen. So halbierten sich z.B. Meta Platforms (ehemalige Facebook) oder Tesla im Kurs, das Image von Marc Zuckerberg oder Elon Musk bekam ordentlich Schrammen. Bei der Bewertung von Aktien muss man in diesem Jahr festhalten, dass nach langer Zeit wieder verstärkt differenziert wurde, was wir ausdrücklich befürworten. Fehler werden nicht mehr so einfach verziehen, nicht jedes noch so unprofitable Geschäftsmodell belohnt. Das macht es uns in unserer Arbeit, bei welcher wir einen hohen Fokus auf Qualität legen, deutlich einfacher. Was uns in einem solchen Umfeld hilft, ist neben der skizzierten Bilanzqualität, Demut und schlicht Erfahrung. Das ist in Krisenzeiten von großem Vorteil, da sich die Tagesaktualität oft mit der Vergangenheit reimt. Daher gilt für uns weiterhin, Chancen mutig zu nutzen, konsequent große Fehler zu vermeiden und durch die Krise(n) hindurchzuschauen und zu erkennen, welche großen Trends wir erwarten. Die Börse bildet nur selten die realwirtschaftliche Aktualität ab und antizipiert in der Regel die Zukunft und daran wollen wir partizipieren. An unseren Favoriten hat sich diesbezüglich wenig geändert, Branchen wie Infrastruktur, Gesundheit/Biotech, Umwelttechnik/Klimawandel, Big Data, Cybersecurity und Telekommunikation werden wesentliche Depotbestandteile bleiben. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen leben 2022 über acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Das macht viele Fragen auch überlebensnotwendig. Daher werden wir uns stärker dem Thema ökologisch-nachhaltiger Ernährung als Investition widmen.

Währungen

Der Bereich der Währungen brachte die Sorge um Europa am deutlichsten zum Ausdruck. Eine enorme Kapitalflucht war im Frühjahr zu beobachten. Wenig verwunderlich, als es Phasen gab, wo der Einsatz von russischen Atomwaffen oder der NATO-Bündnisfall ernsthaft durchgespielt wurde, aber auch Querelen innerhalb der EU verunsicherten. Die Parität wurde beim Euro/USD nach rund 20 Jahren wieder unterschritten. Befeuert wurde der Tausch in den US-Dollar durch dessen traditionellen Status des sicheren Hafens, vor allem jedoch durch das hohe Tempo bei den Zinserhöhungen. Dieses Triptychon an Faktoren zeichnete ein Bild, in dem der US-Dollar eine unfassbare Anziehungskraft entfaltete. Die Auswirkungen waren enorm. Amerikanische Unternehmen, die global agierten, erlitten enorme Gewinneinbußen. Deutsche Autofahrer hatten einen zusätzlichen Preistreiber an der Tankstelle und in vielen Emerging Markets stiegen die Lebensmittelpreise immens. Natürlich ist der US-Dollar in Bezug auf seine Kaufkraftparität überbewertet. Daher werden wir immer wieder Gegenbewegungen sehen. Europa benötigt jedoch neben einer friedenspolitischen Perspektive, auch eine finanzpolitische, um dauerhaft zur zweiten großen Reservewährung zu werden. Die Sanktionen im Frühjahr sahen auch das Einfrieren von Zentralbank-Geld im Westen vor. Dieser Schritt war nicht erwartet worden und traf Russland schmerzhaft. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die arabischen Länder und China dies abschließend bewerten werden und alternativ nach Auswegen der US-Dollar Dominanz suchen. Wir sehen weiterhin im Schweizer Franken und der Norwegen Krone attraktive Diversifizierungsbausteine.

Rohstoffe

In der ersten Hälfte des Jahres legten die Rohstoffpreise deutlich zu. Angst vor Knappheit und Schutz vor Inflation waren die Beweggründe. Im Laufe der zweiten Jahreshälfte ermäßigten sich einige Energiepreise wieder deutlicher. Massive staatliche Eingriffe lagen hinter uns, zudem machte sich die Sorge vor einer Rezession breit und China mit seiner konsequenten Umsetzung der Null-COVID-Strategie weniger Rohöl nach. Das Treffen zwischen Biden und Mohammed Bin Salman zeigte aber deutlich, dass die Emanzipation des arabischen Raums weiter geht. Die OPEC ist derzeit erstaunlich diszipliniert und betreibt ein rigides Angebotsmanagement. Die Nachfrageabschwächung aufgrund der Wirtschaftsverlangsamung konnte daher bislang gut kompensiert werden. Zudem zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Iran das Zeitfenster zur Rückkehr auf die Weltbühnen nicht nutzen wird. Die derzeitige Innenpolitik lässt tief blicken. Daher wird kein weiteres Angebot auf den Markt kommen und der Preis stabil bleiben. Ebenso interessant bleiben für uns die Rohstoffe, die im Kampf gegen den Klimawandel benötigt werden. Die Dekarbonisierung und die Transformation der Wirtschaft wird die Nachfrage nach Industriemetallen und Seltenen Erden längere Zeit stützen und antreiben. Die Vorstellung, dass Grüner Strom nur Wind und Sonne benötigen, ist zu kurz gedacht. Ob Windrad, Photovoltaikanlage oder E-Auto-Batterie – ohne seltene Erden, Lithium, Kupfer oder Silizium wird es nicht gehen. Die Aktienkurse von Bergbauunternehmen sollten langfristig den steigenden Metallpreisen folgen. Gold verbleibt weiter als Stabilisator im Portfolio. Im Hinblick auf geringe Opportunitätskosten hatten wir das Edelmetall die letzten Jahre auf 4%-6% hochgefahren. Vor dem Hintergrund steigender Zinsen, werden wir das Gold nunmehr bei 3%-5% allokieren.

Portfoliostruktur

Im Jahr 2022 half in einer Welt, in der man höchstens mit ausgewählten und einseitigen US-Dollar-Energierohstoffen eine positive Rendite hätte erzielen können, eine Diversifizierung zwangsläufig wenig. Aber unser konsequenter Fokus auf Qualität half dabei, die potenziellen drastischen Marktverluste deutlich abzufedern. Inzwischen haben sich jedoch die Aussichten für Diversifizierung deutlich aufgehellt. Wie zu Beginn beschrieben, erwarten wir ein zweigeteiltes 2023. Starten werden wir mit vielen ungeklärten Fragen der Energiesicherheit, höheren Zinsen, Konjunktursorgen und einem völlig offenen Krieg in Europa. Dazu Börsenindizes, die traditionell um die markanten Trendlinien, viele handelstechnische Fehlsignale liefern. Das verspricht ordentlich Schwankungsbreite. Diese gilt es bestmöglich zu nutzen und schlicht mit Qualität zu erdulden. Aber auch diese Krisen werden vorbeigehen und Aktienmärkte wieder Aufwärtstrends aufnehmen. Das lehrt uns die Geschichte, denn der Mensch kann Krise. Wann das so weit ist, lässt sich jedoch nicht an einer Kennziffer festmachen. Aber die Wendepunkte traten in der Vergangenheit oft dann ein, wenn die Anleger Zinssenkungen und die Talsohle bei der Entwicklung der Unternehmensgewinne vorwegnahmen. Dafür ist es noch zu früh und daher bleiben wir beim Bild der zwei Halbzeiten. Zu Beginn wird noch ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit vorherrschen und entsprechend defensivere Geschäftsmodelle mit Preissetzungsmacht und sauberer Bilanz den Vorzug bekommen. Das haben wir in unserer aktuellen Portfolioallokation entsprechend schon berücksichtigt. Im Laufe der nächsten Monate wird sich das aber wandeln und die Zeit für risikoreichere Positionen kommen. Wir werden dann die Branchen stärker Richtung Zykliker und Technologie rotieren, da diese von der Konjunkturentwicklung stärker profitieren werden. Als Region werden wir den japanischen Aktienmarkt höher gewichten als in der Vergangenheit, da wir glauben, dass japanische Unternehmen aktuell sehr widerstandsfähig sind und besonders exportstarke Firmen vom schwachen Yen profitieren. Unser Fahrplan steht, wir werden diesen diszipliniert, geduldig und konsequent umsetzen. Wir sind mehr denn je überzeugt, dass Qualität sich dauerhaft durchsetzen wird. Diese gilt es zu klassifizieren. Temporär, Quoten zu steuern gehört dazu, jedoch zwischen 100% Liquidität und 100% Aktien zu switchen verursacht nur Kosten und Stress und wird daher nicht unser Handeln prägen. Time schlägt Timing. Anleihen werden nach vielen Jahren wieder deutlich interessanter. Aber auch hier gilt es, Pauschalaussagen zu vermeiden. Wichtig bleibt bei einzelnen Unternehmen darauf zu achten, dass keine bzw. moderate Refinanzierungen anstehen. Die Rentenmärkte werden im Laufe der Zeit zügiger als andere Anlageklassen die zu erwartenden Zinssenkungen in Blick nehmen und entsprechend im Kurs zulegen. Das schützt vor deutlichen Renditeerhöhungen, die wir noch 2022 erleben mussten. Den letzten Jahresausblick hatten wir mit der Metapher der Safety-Car-Phase beendet. Wir werden uns zu Beginn des Jahres 2023 noch in dieser befinden. Man drückt das Gaspedal durch, bremst aber auch schnell wieder ab – es fühlt sich nicht wie ein richtiges Rennen an. Zeiten für Vollgas kommen später, aber auch dann gewinnt nur der, der das Tempo beherrscht und vorausschauend fährt.

Ihr Hansen & Heinrich Portfoliomanagement