Erben – das klingt nach künftiger Sorgenfreiheit und Luxusleben, aber die Realität sieht da oft erst einmal ganz anders aus. Gerade wer überraschend bedacht wurde, sollte das Durchwühlen von Dokumenten und Kontoauszügen nicht auf die lange Bank schieben. Autor: Florian Junker
Aus heiterem Himmel reich werden durch eine Erbschaft? Das ist definitiv nicht der Normalfall. Die meisten Erbschaften liegen eher im niedrigeren fünfstelligen Bereich. Bei so manchem Bedachten kommt kaum etwas oder sogar nur Schulden an (s. Grafik). Erben dürfen sich aber unabhängig von der Höhe des Nachlasses auf jeden Fall um einen großen Berg Papierkram kümmern.
„Grundsätzlich gilt die sogenannte Fußstapfentheorie, Erben treten für Alles die Nachfolge des Verstorbenen an, das gilt für Vermögenswerte genauso wie Verbindlichkeiten und die meisten anderen Verpflichtungen“, erklärt Carolin Vogel, Fachanwältin für Steuerrecht bei der Münchner Kanzlei CHP im Interview. Das heißt zum Beispiel auch, dass von den Erben noch die letzte Steuererklärung eingereicht werden muss und auch daraus entstehende Steuerschulden bezahlt werden müssen. Gerade wer überraschend Erbe wird, sollte sich nicht nur deswegen schnell überlegen, ob er das wirklich sein will.
Niemand muss erben – wenn er sich beeilt
Denn sobald jemand von einer Erbschaft erfährt, hat derjenige nach deutschem Recht sechs Wochen lang Zeit, komplett darauf zu verzichten. Tut er in der Zeit gar nichts, gilt das Erbe automatisch als angenommen. Eine Ausschlagung muss entweder persönlich beim zuständigen Amtsgericht erklärt oder mit einem vom Notar beglaubigten Dokument erwirkt werden. Wichtig zu wissen: Es gibt keine Rosinenpickerei, es gilt Alles oder Nichts. Das heißt, es ist nicht möglich, zum Beispiel ein Aktiendepot zu nehmen, aber auf das sanierungsbedürftige und verschuldete Haus zu verzichten. Deswegen ist es wichtig, sich möglichst bald durch sämtliche Dokumente des Erblassers zu kämpfen und auch mit Banken und Versicherungen den aktuellen Stand zu klären. Denn die Frist zur Ausschlagung kann grundsätzlich nicht verlängert werden.
„Im Einzelfall ist es oft gar nicht so leicht, Auskunft zu bekommen, denn viele Banken geben zum Beispiel ohne einen vom Nachlassgericht erteilten Erbschein keine Informationen heraus“, weiß CHP-Expertin Carolin Vogel. Wird der jedoch beantragt, kann das als Annahme des Erbes gewertet werden. Wenn es sowas denn gibt, kann alternativ ein notarielles Testament vorgelegt werden, dass einen als Erben ausweist. Bei privat verfassten handschriftlichen Testamenten kann das auch funktionieren, wenn nachgewiesen werden kann, dass dazu bei Gericht bereits ein Verfahren eröffnet wurde. „Noch besser wäre es aber, wenn der Erblasser seinen künftigen Erben bereits zu Lebzeiten über die Erbmasse informiert“, rät die Fachanwältin. Auch wenn es nicht der Regelfall ist, so mancher kann sich doch im Erbfall über einen erheblichen Vermögenszuwachs freuen, aber auch hier gilt es nicht zu lange abzuwarten.
Die ersten Schritte
Wenn man eine Erbschaft nicht ausschlägt, gilt es, sich schnellstmöglich Gedanken darüber zu machen, wie sie in die eigene Finanzplanung eingebettet werden kann. Im ersten Schritt empfehlen wir eine Status-Quo Analyse sämtlicher Vermögenswerte und Verbindlichkeiten. „Alles muss auf den Tisch“, betont Samir Zakaria, Finanzplanungsexperte und H&H-Standortleiter in Frankfurt.
Multibanking-Tools wie das digitale Vermögenscockpit ermöglichen eine übersichtliche Darstellung. Nur so können sinnvolle Entscheidungen getroffen und erste Fragen beantwortet werden: Gibt es ggf. Klumpenrisiken in einer Assetklasse? Wie ist die Risikostruktur der Anlagen? Passt diese zu meiner Risikotoleranz? Decken sich „Laufzeiten“ von Anlagen mit meinem Anlagehorizont? Muss ggf. die eigene Erbschaftsplanung angepasst werden? Welche Renditeerwartungen liegen den einzelnen Positionen zugrunde?
Finanzplan bringt Mehrwerte
„Eine genaue Kosten-Nutzen-Analyse für geerbte Immobilien ist essenziell“, fügt Zakaria hinzu, „insbesondere ein Renovierungsstau kann Auswirkungen auf die finanzielle Situation des Erben haben.“ Um eine noch genauere Entscheidungsgrundlage für die Vermögensstrukturierung zu erhalten, empfiehlt es sich, bei komplexem Vermögen neben einer Status-Quo Analyse auch einen Finanzplan erstellen zu lassen. Dies ist bei Hansen & Heinrich über ausgebildete Certified Financial Planner möglich. Für viele Vermögensinhaber steht die Absicherung der Familie an erster Stelle, so dass dies häufig einen Schwerpunkt der Betrachtung darstellt.
Ein privater Finanzplan wirft einen Blick in die Zukunft und untersucht die Liquiditäts- und Vermögensentwicklung unter Beachtung von Risikoszenarien wie bspw. Berufsunfähigkeit und Todesfall. „Auch Parameter wie eine höhere Inflation oder zukünftige Cashflows aus Versicherungen sollten in die Planung einbezogen werden“, erklärt Zakaria, „um so realistische Szenarien für die finanzielle Zukunft zu schaffen.“ Auch wenn es im Erbfall wichtig ist, schnell Überlegungen anzustellen, sollten diese auf einer ganzheitlichen Analyse beruhen. „Eine Expertenunterstützung ist hier in der Regel unabdinglich“, so Zakaria abschließend.
„Wer überraschend erbt, sollte aktiv werden!“
Um negative finanzielle Folgen zu vermeiden, ist Zeit ein wichtiger Faktor, wenn der Erbfall eintritt, erklärt Carolin Vogel, Fachanwältin für Steuerrecht bei der Münchner Kanzlei CHP.
Wie erfährt ein Erbe außerhalb der Familie davon, dass er geerbt hat?
Vogel: Wer nicht zum engeren Familienkreis zählt, erfährt von einer Erbschaft in der Regel durch ein Schreiben des Nachlassgerichts. Dazu muss allerdings das Gericht erst einmal Kenntnis davon erlangen, dass der Erblasser verstorben ist. Ist dann das Testament bei Gericht oder einem Notar hinterlegt oder jemand aus der Familie legt es vor, werden die darin genannten Erben informiert.
Warum ist es wichtig, den Zeitpunkt zu beachten und nicht zu lange abzuwarten?
Vogel: Erben haben eine sechswöchige Ausschlagungsfrist, ob sie das Erbe antreten wollen oder nicht. Die Zeit läuft, sobald man Kenntnis von der Erbschaft erlangt hat, und die Frist lässt sich nicht verlängern. Im Idealfall haben Erblasser und Erbe deswegen schon vorher alles gut durchgesprochen und der Erbfall trifft einen nicht unvorbereitet. Ist das alles eine große Überraschung, macht es Sinn, möglichst zügig den Rat von Fachleuten einzuholen.
In welchen Fällen ist es ratsam, ein Erbe auszuschlagen?
Vogel: Erben treten praktisch in die Fußstapfen des Erblassers und das gilt für Vermögenswerte genauso wie für Verbindlichkeiten. Es ist dabei nicht möglich, sich nur die positiven Dinge herauszupicken, sondern es gilt das alles oder nichts Prinzip. Sind die Schulden insgesamt höher als der Wert des Nachlasses, macht es Sinn, die Nachfolge erst gar nicht anzutreten. Aber dies bedarf der näheren Prüfung.
Warum ist es gerade auch bei geerbten Immobilien sehr empfehlenswert, auf Termine zu achten?
Vogel: Da gibt es mehrere Aspekte, warum der Zeitpunkt eine Rolle spielt, wie etwa Haltefristen bei der Gewinnbesteuerung. Handelt es sich zum Beispiel um das Familienheim und der Ehepartner oder die Kinder des Erblassers bewohnen es noch zehn Jahre, fallen in der Regel keine Erbschaftsteuern für denjenigen an. Auch die Eigentümerberichtigung, also die Eintragung der Erben ins Grundbuch, ist nur in den ersten zwei Jahren kostenfrei, was eine erhebliche Kostenersparnis bedeuten kann.
Wieso sind Erbengemeinschaften gerade bei Immobilien oft der Ausgangspunkt von Streit?
Vogel: Wenn mehr als eine Person eine Immobilie erbt, führt das automatisch immer zu einer Erbengemeinschaft und Abstimmungsbedarf. Das ist kein Problem, wenn sich alle einig sind, aber das ist erfahrungsgemäß nicht immer der Fall. Je mehr Menschen in einer Erbengemeinschaft zusammengebunden sind, desto schwieriger kann es werden, sich hier auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Welche Sanierungsmaßnahmen werden zum Beispiel durchgeführt, wer darf einziehen, zu welchen Konditionen wird vermietet? Nicht selten führt das dann zu Streit und letztlich einem Verkauf der Immobilie, was nicht unbedingt die beste Lösung sein muss.
Macht es denn im Moment eher Sinn, eine Immobilie zu behalten oder ist es besser zu verkaufen?
Vogel: Das lässt sich nicht pauschal beantworten und hängt im Einzelfall von vielen Faktoren wie der Lage, Mietnachfrage oder dem Sanierungsbedarf ab. Aber grundsätzlich sind Immobilien als langfristige Anlageklasse nach wie vor beliebt. Im Einzelfall müssen dabei aber mögliche Kosten und der zeitliche Aufwand etwa für den Erhalt oder Vermietung miteinkalkuliert werden. Gerade unter dem Aspekt der in den letzten Jahren hohen Inflation, dürfte das sprichwörtliche Betongold aber als stabile Anlageklasse seine Berechtigung in einem breit aufgestellten Vermögensmix behalten.
Wichtige fünf Schritte als plötzlicher Erbe:
- Wer von einer Erbschaft erfährt, sollte nicht abwarten, sondern sich sofort einen Überblick über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten verschaffen. Um Auskunft von Banken und Co. zu bekommen, braucht es in der Regel ein beglaubigtes Testament oder ein gerichtliches Eröffnungsprotokoll der Erbschaft. Bei Unsicherheiten ist es sinnvoll, möglichst gleich am Anfang Rat von Fachleuten wie Anwälten und Steuerberatern einzuholen, die mit solchen Themen vertraut sind.
- Sie sind sich nach sechs Wochen nicht sicher, ob es besser ist, ganz auf das Erbe zu verzichten? Dann können Sie eine Nachlassverwaltung beantragen. Hier bezahlt ein vom Nachlassgericht bestellter Verwalter zunächst aus der Erbmasse die Schulden, zusätzlich werden die Kosten der Nachlassverwaltung vom Erbe abgezogen. Der große Vorteil: Reicht das Geld nicht aus, haftet der Erbe nicht mit seinem Privatvermögen.
- Es wird Ihnen erst nach ein paar Monaten klar, dass Ihr Erbe vielleicht doch keine „goldene Gans“, sondern ein „Fass ohne Boden“ ist? Gut zu wissen: Die Nachlassverwaltung kann bis zu zwei Jahre nach Anfall der Erbschaft beantragt werden.
- Sie haben alles verpasst? Dann gibt es noch ein letztes Mittel, das Nachlassinsolvenzverfahren. Auch hier wird die Haftung für die Schulden des Erblassers auf den vorhandenen Nachlass beschränkt. Diese „Insolvenz“ hat keine Auswirkung auf die Kreditwürdigkeit des Erben, kostet aber Gebühren und der Nachweis, dass das Erbe überschuldet ist, kann arbeitsaufwendig sein.
- Es gibt doch ein positives Ergebnis für Ihre Erbschaft und es handelt sich dabei um mehrstellige Beträge? Dann sollten Sie sich einen Überblick über Ihre Vermögens- und Lebenssituation verschaffen. Denn wer größere Summen frühzeitig klug positioniert, kann erheblich mehr zum Beispiel im Alter für den Ruhestand aufbauen oder mit der Übertragung auf Kindern Steuern sparen, wenn das Geerbte rechtzeitig weitergegeben wird.
Nur wenige erben viel, manche nur Schulden
Bei mehr als der Hälfte der Erbschaften liegt das Volumen unter 75.000 Euro. Nur bei einem von 50 Erbfällen wird mehr als ein Million Euro übertragen. In 13 Prozent der Fälle ist das Erbe finanziell betrachtet nichts wert oder besteht sogar nur aus Schulden, in diesen Situationen kann es vorteilhaft sein, über eine Ausschlagung innerhalb der sechswöchigen Frist nachzudenken.
H&H und Erblotse
Die Komplexität des Erbrechts sowie unklare Pflichten und Aufgaben können Erben in eine schwierige Lage versetzen. Auch beim Vererben tauchen viele Unsicherheiten auf, da man stets sicherstellen möchte, alles richtig zu machen. Wir kooperieren mit Erblotse.de, einem Tool, das Ihnen in diesen Situationen hilft. Für Erben bietet der Erblotse Antworten auf wichtige Fragen und führt Sie Schritt für Schritt durch Ihren individuellen Erbfall. Beim Vererben unterstützt er Sie dabei, Ihre Wünsche rechtsgültig festzuhalten und gibt Ihnen schnell und unkompliziert klare Handlungsempfehlungen.
Mit Erblotse ist das Vererben einfach.