„Stell dir vor, an der Börse herrscht Panik und die Kurse steigen“. Dieses leicht abgewandelte Zitat aus den 1980er Jahren beschreibt treffend, dass ein ungewöhnlicher Monat hinter uns liegt, der je nach Zeitpunkt die jeweils aktuelle Markteinschätzung stark bestimmte. Glücklich schätzen können sich jene, die in den letzten vier Wochen ihren Urlaub verbracht und ihr Handy ausgeschaltet haben. Für sie hat sich an den Märkten kaum etwas verändert. Ganz anders erging es Anlegern, die auf die oft reißerischen Schlagzeilen reagierten, in Panik verkauften oder umfangreiche Absicherungen aufgebaut haben. Diese sehen sich nun gezwungen, den steigenden Kursen hinterherzulaufen, was dann auch die im weiteren Monatsverlauf historische Serie an positiven Handelstagen in Folge erklärt. Auch wir besitzen keine Glaskugel, aber wir wissen, wie entscheidend es ist, in hektischen Marktphasen einen kühlen Kopf zu bewahren und an einer langfristigen, soliden Anlagestrategie festzuhalten.

Die Rolle der Carry-Trades im Marktchaos des Augusts

Die Marktturbulenzen zu Beginn des Monats wurden primär durch das Auflösen umfangreicher „Carry-Trade“-Positionen ausgelöst, die just in eine Phase allgemeiner Sorglosigkeit fielen. Der japanische Leitindex (Nikkei 225) verzeichnete am 5. August mit einem Minus von 12,4% seinen schärfsten Tagesverlust seit 1987. Den Anlegern stellten sich damit insbesondere zwei Fragen: Welche Ursache hatte dieser Ausverkauf und welche Auswirkungen hat dies auf die globalen Märkte?

Japan ist seit der geplatzten Immobilienblase 1990 ein Sonderfall. Trotz seiner Position als bedeutende Volkswirtschaft hat es seine Währung massiv abgewertet, was 2024 noch an Dynamik gewann. Dies befeuerte japanische Exporte und Aktienmärkte und lockte Hedgefonds zu umfangreichen Carry-Trades an. Welchen Hintergrund haben eigentlich Carry-Trades? Dabei handelt es sich um Zinsdifferenzgeschäfte zwischen einzelnen Währungen mit unterschiedlichen Zinsniveaus, z.B. in Japan und in den USA. Es war lange Zeit bei Hedgefonds eine beliebte Strategie, günstige Yen-Kredite aufzunehmen und das Kapital in höher verzinsliche US-Staatsanleihen oder US-Wachstumsaktien zu investieren. Aufgrund der Yen-Schwäche profitierten diese dabei nicht nur von der Zinsdifferenz, sondern auch noch von Währungsgewinnen bei der Bedienung der Yen-Kredite, da die Währung kontinuierlich schwächer wurde. Das läuft so lange wie es läuft.

Problematisch wird es, wenn alle gleichzeitig herauswollen, dann wird sprichwörtlich die Tür zu eng:

Als die US-Konjunkturdaten Anfang August schwächer als erwartet ausfielen und Sorgen vor einer Rezession aufkamen, stieg die Erwartung stark sinkender US-Zinsen. Gleichzeitig erhöhte die Bank of Japan den Leitzins auf 0,25%, für japanische Verhältnisse ist das erheblich. Der Yen stieg sprunghaft an, Carry-Trades wurden rasch unrentabel und das Schließen dieser Positionen löste weitere Verluste aus. Eine sich verstärkende Spirale, deren Verluste dann durch Verkäufe anderer Anlageklassen kompensiert wurden. Das war die explosive Melange Anfang August. Eine zentrale Rolle der japanischen Carry-Trades lag nahe, da japanische Aktien über 12%, europäische und US-Aktien hingegen „nur“ 3-4% verloren. Eine marktbreite Ansteckung und Ausdehnung auf andere Sektoren blieben somit aus.

Vom Optimismus zum Realismus: Übergeordnete Trends bleiben intakt

Beeindruckender als der schwache Monatsbeginn war hingegen die vorherige Stabilität, die man bei der Einordnung des „Schocks“ berücksichtigen sollte. Der S&P500 verzeichnete 356 Handelstage ohne einen Tagesrückgang von mehr als 2% – die längste Serie seit 2007. Viele Börsianer wähnten sich in der besten aller Welten: Zinslockerungen, wirtschaftlicher Aufschwung und Künstliche Intelligenz sorgen für Optimismus. Die Kirsche auf der Torte war dann noch der „Trump-Trade“ nach dem Rückzug Joe Bidens. Wir interpretieren diese beschriebene Entwicklung als überfälliges Bereinigen einer gewissen Sorglosigkeit und eine Rückkehr zu mehr Realismus.

Übergeordnete Markttrends in den USA blieben intakt, so dass wir keine signifikanten Änderungen an unserer bewährten Anlagestruktur vornehmen mussten. Eine starke Diversifizierung und die Konzentration auf Qualität und Substanz schützen vor übereiltem Aktionismus. Phasen der Übertreibungen oder Untertreibungen sind unvermeidlich, daran sind aber nicht Aktien, sondern menschliche Verhaltensmuster (Gier und Angst) Schuld. Das gilt es stets zu beachten.

Im weiteren Monatsverlauf waren Kurserholungen auf breiter Front zu erkennen, wobei dieses Mal die Gewinnerliste nicht ausschließlich von Big-Techs angeführt wurde. Der Aufschwung gewann an Breite. Ursächlich waren dafür folgende Umstände. So ruderte die Bank of Japan zurück und stellte eine marktschonende Zinspolitik in Aussicht. Mit Spannung warteten Anleger und Anlegerinnen auf Verbraucherpreise und Einzelhandelsumsätze.­ Die Inflationsrate entsprach den Erwartungen und bestätigte den Disinflationstrend, während die Einzelhandelsumsätze überraschend stark ausfielen. Auch das Handelsschwergewicht Walmart überzeugte mit sehr guten Zahlen. Dies zeigte, dass der Konsument weiterhin ein starker Faktor ist und von einer Rezession vorerst keine Rede sein kann, und sorgte für einen versöhnlichen Monatsausklang. Mit den Zahlen des KI-Schwergewichts Nvidia Ende August ist die Berichtssaison zum ersten Halbjahr beendet, so dass Impulse nun vor allem von der Konjunkturseite zu erwarten sind. Der große Arbeitsmarktbericht zu Beginn des Septembers, wird Aufschluss darüber geben, ob wir am 18. September eine Zinssenkung seitens der Fed von 0,25% oder um 0,5% sehen werden. Das Szenario, den Fokus mehr auf den Arbeitsmarkt und weniger auf die Bekämpfung der Inflation zu richten, wurde von Jerome Powell in Jackson Hole auf einem Notenbanken-Symposium so skizziert.

Strategische Anpassungen: Qualität und Langfristigkeit bleiben unsere Leitprinzipien

Im Portfolio des Hansen & Heinrich Universal (aktuelle Aktienquote 95%) haben wir den Investitionsgrad in die Marktschwäche hinein leicht erhöht. Wir haben unsere Bestände an Aktien u.a. von Allianz, Berkshire Hathaway, Broadcom, L’Oréal, Meta und VISA aufgestockt. Reduziert haben wir dagegen mit dem Verfallstag u.a. Aktienbestände von Alibaba, Arista Networks, Cisco Systems und Palo Alto. Broadcom gehört zu den führenden Anbietern von Halbleiter- und Infrastrukturlösungen. Der Chipriese entwickelt Chipsätze für drahtlose Kommunikation, Ethernet, Bluetooth, WLAN und andere Technologien. Durch die 61 Mrd. USD schwere Übernahme des Softwarespezialisten VMware ist Broadcom auch im Softwaresegment breiter aufgestellt. VMware ermöglicht die Virtualisierung von Rechenressourcen, was die Auslastung von Rechenzentren optimiert. Beflügelt wurde der jüngste Kursanstieg durch Gerüchte, dass man zusammen mit OpenAI („ChatGPT“) einen eigenen KI-Chip herausbringen will. Viele Unternehmen sehnen sich nach einer Alternative zu Nvidia. Die jüngsten Quartalszahlen (Gewinn und Umsatz über Erwartungen) zeigen aber, dass auch ohne weitere Story das Unternehmen gut aufgestellt ist und vom allgemeinen KI-Hype profitieren wird. Eine Sonderstellung im Tech-Bereich ist sicherlich die Dividendenpolitik, da Broadcom nicht nur eine Dividende zahlt, sondern sich auch durch zweistelliges Wachstum auszeichnet.

Im H&H Stiftungsfonds (aktuelle Aktienquote 38%) haben wir nur wenige Veränderungen vornehmen müssen. Im Berichtsmonat kam uns unser defensiver Ansatz sehr entgegen. Auf der einen Seite wurden bonitätsstarke Anleihen als sicherer Hafen von Investoren angesteuert, die wir vielfach allokiert haben. Vor dem Hintergrund einer möglichen Eintrübung der Konjunktur rücken Zinsmaßnahmen in den Fokus. Ein solches Szenario beinhaltet je nach Grad der Wirtschaftsschwäche umfangreiche Zinssenkungen, wovon dann die höher verzinslichen Bestandsanleihen im Kurs profitieren. Andererseits hatten wir ausgeführt, dass Anleger im Bereich der Aktien sich breiter aufstellen, nicht mehr ausschließlich in die großen US-Techs investieren, sondern weniger zyklische Geschäftsmodelle mit Preissetzungsmacht (auch in herausfordernden Zeiten) bevorzugen. Diese bilden den Kern unseres defensiven Aktienportfolios. So konnten unsere Aktien von z.B. AstraZeneca, Abbvie, Deutsche Telekom, Kimberly, Procter & Gamble oder Sonova eine Outperformance im August aufzeigen. Das führte u.a. aber auch dazu, dass der Nahrungsmittelkonzern Mars den Snackhersteller Kellanova übernehmen will, was zu einem deutlichen Kursplus führte. Da der Übernahmepreis nahezu erreicht wurde, haben wir unsere Position in Kellanova mit einem beträchtlichen Gewinn verkauft. Spätestens seitdem der Arbeitskräftemangel mit voller Wucht Einzug in die Geschäftswelt gehalten hat, gewinnt die Thematik Robotik an Dynamik und könnte neben KI der Megatrend werden. Der Fantasie an Einsatzmöglichkeiten sind dabei keine Grenzen gesetzt, auch z.B. im Gesundheitssektor. Führend positioniert ist hierbei das US-Unternehmen Intuitive Surgical. Die Firma entwickelt und produziert OP-Roboter, mit denen Ärzte ihre Operationen (auch dezentral) deutlich präziser durchführen können. Auch in Deutschland arbeiten inzwischen über 30 Krankenhäuser mit deren sogenannten da-Vinci System. Innovation zum Vorteil der Gesundheitsindustrie in Kombination zum Nutzen der Investoren ist eine charmante Kombination, die sich seit längerem bewährt und für uns eine wertvolle und wenig zyklische Halteposition im Aktienportfolio darstellt.

Im WoWiVermögen (aktuelle Aktienquote 14%) haben wir nur geringe Anpassungen vornehmen müssen. Die Emissionstätigkeit auf der Anleiheseite war weiterhin, saisonal bedingt, eher gering. Dennoch konnten wir erfolgreich an Emissionen der VW Finance und Merck KgaA teilnehmen. Den kurzfristigen Kursrückgang, Anfang August, konnten wir nutzen, in dem wir Positionen in Salesforce, Amazon, Microsoft und Alphabet aufstockten. Positionen in Siemens und RWE und Vonovia wurden verkauft. Im vergangenen Monat konnte insbesondere unsere Position in einer Anleihe von Renewi PLC, einem europäischen Unternehmen im Bereich Abfallmanagement, reüssieren. Das Unternehmen plant seine UK-Sparte zu veräußern. Im Laufe des letzten Monats nahm die Wahrscheinlichkeit, dass die Transaktion bald abgeschlossen sein wird, zu. Für das Unternehmen wird dieser Vorgang eine bessere finanzielle Positionierung zur Folge haben. In Antizipation höherer liquider Mittel und einer höheren Bewertung des zugrundeliegenden Eigenkapitals, stieg der Kurs der Anleihe innerhalb eines Monats um mehr als 3,5%. Hinzu kommt, dass, sollte die Transaktion vollzogen werden, Anleihegläubiger die Möglichkeit besitzen, die Anleihe vorzeitig zum Kurs von 101 wieder zurückzugeben. Der Kurs der Anleihe (akt. ca. 98) sollte sich nun also mit fortlaufender Zeit dem Kurs von 101 annähern, je fortgeschrittener der Übernahmeprozess ist. Im Fall einer erfolgreichen Übernahme, würden wir die Anleihe zu 101 zurückgeben und das Kapital zu einem höheren Zins erneut anlegen.

Ihr Hansen & Heinrich Portfoliomanagement